Russland: Adventisten appellieren an Putin, Gesetze zur Missionstätigkeit nicht zu unterzeichnen

Die teilkontinentale Kirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten ESD (Eurasien-Division), mit Sitz in Moskau, hat am 28. Juni an Präsident Putin appelliert, Gesetze, welche am 24. Juni von den Abgeordneten der Staatsduma angenommen worden waren, nicht zu unterzeichnen. Der Appell wurde von einem Aufruf an die Kirchenmitglieder begleitet, zu fasten und zu beten. Das Paket ist Teil der neuen Antiterror-Gesetzgebung und würde die Missionstätigkeit im Land massiv u.a. dadurch einschränken, dass religiöse Versammlungen in Privathäusern verboten wären sowie die Verbreitung von religiösen Inhalten durch Druckerzeugnisse oder online nur Personen mit entsprechenden Dokumenten erlaubt wären.

Das vorgeschlagene Gesetzespaket, das im Rahmen der neuen „Überwachungs- und Antiterror-Gesetze“ eingebracht wurde, ist vom Oberhaus, dem Föderationsrat bzw. der Vertretung der Gliedstaaten, am 29. Juni an den Präsidenten zur Unterzeichnung weitergeleitet worden.

Das neue Gesetz definiert nach Angaben von Adventist Review (AR, amerikanische Kirchenzeitschrift) Missionstätigkeit als: „Gottesdienst sowie andere religiöse Riten und Zeremonien; Verteilung von religiöser Literatur, von Audio- und Videomaterialien; öffentliches Fundraising für religiöse Zwecke; Durchführung von Gottesdiensten, religiösen Versammlungen und Predigten“.

Adventisten appellieren an Putin, das Gesetz nicht zu unterzeichnen
Pastor Oleg Goncharov, zuständig für Außenbeziehungen und Religionsfreiheit der ESD, appellierte an Putin, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. „Für Gläubige ist es unmöglich, den Anforderungen dieses Gesetzes zu entsprechen und selbst in den eigenen vier Wänden nicht mehr über ihre religiösen Überzeugungen zu sprechen“, so Goncharov in einem offenen Brief an Präsident Putin.

„Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes wird die religiöse Situation im Land wesentlich komplizierter. Viele Gläubige werden wegen ihres Glaubens ausgegrenzt und Repressalien ausgesetzt sein", sagte Oleg Goncharov. Dies bereite allen adventistischen Christen Sorgen, die seit mehr als 130 Jahren in Russland tätig seien.

Missionstätigkeit in Wohngebieten verboten
Was ihn besonders beschäftige, sei eine Regelung im Gesetz, welche die Ausübung von Missionstätigkeit in Wohngebieten verbiete, so Pastor Goncharov. Dies sei die Legalisierung eines folgenschweren Eingriffs in die Privatsphäre der Bürger, indem ihnen in den eigenen vier Wänden verboten werde, ihre religiösen Überzeugungen mit anderen zu teilen oder ihre religiösen Bedürfnisse zu stillen.

Fraglicher Gesetzgebungsprozess
Adventisten und andere Konfessionen unterstützten die Bemühungen der Regierung, Extremismus und Terrorismus zu bekämpfen. Der Abschnitt über Missionstätigkeit im neuen Gesetzespaket gehe aber entschieden zu weit, hielt Goncharov fest. Zudem verletze die schnelle Verabschiedung des Gesetzes und die Genehmigung in nur drei Tagen sowie die Umgehung von vorgeschriebenen Beratungen mit Religions-gemeinschaften das Bundesgesetz. Dieses schreibe Diskussionen mit einem Ausschuss der Staatsduma für religiöse Organisationen vor sowie mit Vertretern jener religiösen Organisationen, die direkt vom Gesetz betroffen seien.

Gesetz betrifft auch Meinungsäußerungsfreiheit und Versammlungsfreiheit
„Es steht hier mehr als die Religionsfreiheit auf dem Spiel“, sagte Ganoune Diop, Direktor für Außenbeziehungen und Religionsfreiheit der adventistischen Weltkirchenleitung. „Es geht auch um die anderen Grundfreiheiten: Die freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit. Alle diese Grundfreiheiten sind miteinander verknüpft, bedingen einander und sind unteilbar“, so Diop.

Rückweisung an Duma
Pastor Oleg Goncharov appellierte an Putin, die Gesetzgebung zur Revision zurück an die Duma zu verweisen und versicherte dem Präsidenten: „Wir beten stets für Sie, lieber Herr Präsident, sowie für alle staatlichen Behörden". Der Präsident sei sich der Bedenken hinsichtlich dieses Gesetzespaktes bewusst und behalte sich ein Veto vor, sagte Dmitry Peskov, Sprecher von Putin.

Gebiet der Eurasischen Kirchenleitung der Adventisten umfasst elf Zeitzonen
Die Weltkirchenleitung der rund 19 Millionen Siebenten-Tags-Adventisten hat global dreizehn teilkontinentale Kirchenleitungen. Mitgliedermässig ist die Eurasische Kirchenleitung ESD die zweitkleinste, gebietsmässig ist sie aber riesig. Es gehören dreizehn Länder zu ihrem Gebiet, das elf Zeitzonen umfasst. Im Wesentlichen gehören zur ESD-Kirchenleitung Staaten der ehemaligen Sowjetunion mit Moldawien, Weißrussland und der Ukraine im Westen bis in die Gebiete des äußersten Ostens Russlands, am Beringmeer.

In diesen dreizehn Ländern, mit 280 Millionen Menschen, gibt es rund 2.000 adventistische Kirchgemeinden. Im Gebiet der ESD-Kirchenleitung gibt es 140.000 erwachsen getaufte Adventisten, 45 Prozent davon leben in der Ukraine. In Tula/Russland betreiben die Adventisten die „Zaoksky Adventist University“, ungefähr 120 Kilometer südlich von Moskau.

_____________________________________________________________________________