Chambésy bei Genf/Schweiz, 23.06.2009/APD Während der vierten Panorthodoxen Vorkonziliaren Konferenz in Chambésy bei Genf soll einer der "Stolpersteine" auf dem Weg zum nächsten „Heiligen und Großen Konzil der Orthodoxie", die Regelung der kirchenrechtlichen Verhältnisse in der orthodoxen Diaspora, aus dem Weg geräumt worden sein.
Die orthodoxen Kirchen ordnen, wie die katholische Presseagentur Kathpress berichtet, ihre Zusammenarbeit in der Diaspora neu. Weltweit werden in mehreren Regionen neue gemeinsame Bischofsversammlungen eingerichtet, beschloss die Vorbereitungstagung, die vom 6. bis 13. Juni in Chambésy stattfand. Den neuen Bischofsversammlungen sollen jeweils alle kanonischen Bischöfe angehören, welche Verantwortung für Gemeinden in diesen Regionen tragen. Ziel der Versammlungen sei die Stärkung der Einheit der orthodoxen Kirche und des gemeinsamen Hirtendienstes an den orthodoxen Christen, die außerhalb der traditionellen Grenzen der orthodoxen Ortskirchen leben, hieß es weiter. Beobachter werteten die Beschlüsse in Chambésy als „Durchbruch", der jetzt den Weg zum panorthodoxen Konzil frei mache.
An der Genfer Vorbereitungsrunde nahmen unter Vorsitz des Metropoliten von Pergamon (Bergama), Ioannis Zizioulas, rund 40 Vertreter aller 14 kanonischen orthodoxen Kirchen teil. Die vorkonziliaren Konferenzen sollen das Große Panorthodoxe Konzil vorbereiten. Erst im Oktober 2008 hatte nach zwei Jahrzehnten Unterbrechung ein Treffen aller orthodoxen Kirchenoberhäupter ("Synaxis") aus Anlass des Paulus-Jubiläums in Istanbul den Weg für eine Wiederaufnahme der Vorbereitung des panorthodoxen Konzils freigemacht.
Bei der Konferenz wurden Beschlüsse der interorthodoxen Vorbereitungskommission für das Konzil, die im Dezember wieder in Chambésy zusammentreten wird, aus den Jahren 1990 und 1993 im Hinblick auf die Diaspora bestätigt. Entscheidend sei, dass die Bischofsversammlungen in der Diaspora im Geist der "Konziliarität" (sobornost) stattfinden. Im Schlussdokument der Konferenz wird ausdrücklich betont, dass der "gemeinsame Wille" aller orthodoxen Kirchen zum Ausdruck gekommen wäre, das Problem der kirchenrechtlichen Organisation der "orthodoxen Diaspora" im Einklang mit der orthodoxen Lehre von der Kirche, mit der Tradition und der kirchenrechtlichen Praxis zu lösen. Den Vorsitz der neuen Bischofsversammlungen soll jeweils der örtlich dienstälteste Bischof des Ökumenischen Patriarchats übernehmen. Wenn es keinen solchen gebe, gehe der Vorsitz an den jeweils dienstältesten Bischof des nächsten Patriarchats auf der orthodoxen Ehrenliste über.
Der Prozess zur Einberufung eines panorthodoxen Konzils begann 1961 – parallel zum Zweiten Vatikanischen Konzil – mit einer panorthodoxen Konferenz auf Rhodos. Weitere Vorkonferenzen fanden 1963 und 1964 auf Rhodos und 1968 in Chambésy statt. Dabei wurden die Themen festgelegt, mit denen sich das panorthodoxe Konzil zu befassen habe. In der Folge formierte sich die interorthodoxe Vorbereitungskommission für das Konzil, die 1971, 1986, 1990 und 1993 in Chambésy tagte. 1976 versammelte sich ebenfalls in Chambésy die erste vorkonziliare panorthodoxe Konferenz, der 1982, 1986 und jetzt weitere folgten.
Die vielfältigen Begegnungen führten dazu, die Themenliste für das Konzil genauer zu definieren: Außer Frage standen die Veränderung der Fastenvorschriften, der kirchenrechtlichen Regeln für Heirat und Scheidung, das Osterdatum und die ökumenischen Beziehungen zu den anderen Christen. Heikel wurde es bei der "Ehrenliste", gemeint ist die kanonische Reihenfolge der Patriarchate und selbständigen Kirchen, weil sich hier der Zwiespalt zwischen Konstantinopel und Moskau am deutlichsten zeigte. Problematisch war auch die Frage der Anerkennung der Selbständigkeit (Autokephalie) oder Autonomie von Ortskirchen, etwa im Hinblick auf den Zerfall von föderalen Gebilden wie die Sowjetunion und Jugoslawien. Große Meinungsverschiedenheiten gab es zudem beim Problem der kirchenrechtlich korrekten Organisation der "Diaspora".
Dass es jetzt gelang, einen Weg für diese Organisation der "Diaspora" zu finden, war auch für Insider nicht selbstverständlich. "Ich bin selbst von diesem guten Ausgang überrascht", sagte Metropolit Ioannis Zizioulas. Er hatte am Beginn der Konferenz eindringlich zur Eintracht aufgerufen. Die bisherige Unfähigkeit der Orthodoxie, "ihr" Konzil auf die Beine zu stellen, sei ein Ärgernis, das ihre Einheit und Zukunft gefährde und sie in den Augen einer nichtglaubenden Welt zum Gespött mache. In diesem Sinn äußerte sich auch der "Organisator" der Konferenz, Archimandrit Bartholomaios Samaras aus Istanbul.
Die Lösung des jahrelangen Streites darüber, ob für die orthodoxe "Diaspora" das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel allein zuständig sein soll, wie das schon ein Beschluss des Konzils von Chalcedon 451 nahe legt, oder ob die heutige Praxis der Leitung jeder Diasporadiözese durch die jeweilige Mutterkirche beibehalten wird, sei "salomonisch". Konstantinopel akzeptiere die Diasporabischöfe der slawischen, rumänischen, georgischen, arabischen, albanischen und weiteren Orthodoxen. Doch würden diese in den Diasporaländern in Bischofsversammlungen zusammengefasst, die ihrerseits in der Regel unter dem Vorsitz eines Bischofs des Ökumenischen Patriarchats stünden.
Das könnte zur Bildung neuer orthodoxer Kirchen in den Staaten der Diaspora führen, wie das der Leiter des Außenamtes der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK), Erzbischof Hilarion (Alfejew), schon im Vorfeld der Genfer Begegnung angeregt hatte. Dem neuen Erzbischof von Wolokolamsk und früheren russisch-orthodoxen Bischof von Wien wird ein großer Anteil an der erzielten Einigung zugeschrieben.
Das letzte Konzil der orthodoxen Kirchen fand 879 in Konstantinopel (heute Istanbul) statt. Danach versammelten sie sich nur noch zu Synoden. Erst wieder zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es neue Vorstöße für ein "Heiliges und Großes Konzil der Orthodoxie". Als möglicher Veranstaltungsort dieses panorthodoxen Konzils, dessen Termin noch völlig offen ist, gilt die griechische Insel Rhodos.
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