Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit hebt sich dank einer guten Quellenlage und akribischen Behandlung der vielfältigen Thematik vom üblichen Bekenntnischarakter wohltuend ab und darf daher auch von anderen christlichen Konfessionen als Standardliteratur ernst genommen werden.
Schon die ausführliche Einführung in die Anfänge der deutschen Siebenten-Tags- Adventisten und ihrer Splittergruppen auf über 200 Seiten machen die Lektüre spannend. Hartlapp hat es an präzisen Inhaltsangaben nicht fehlen lassen, so dass der interessierte Leser sehr bald auf Kernfragen, wie die Beteiligung am Militärdienst im Ersten Weltkrieg, die adventistische Führungsperson Ludwig Richard Conradi, das Bemühen um staatliche Anerkennung oder die Position der adventistischen Heiligtumslehre stieß. Nicht weniger Aufmerksamkeit verdient das überraschende Verbot der evangelischen Freikirche für die Monate November/Dezember 1933. Ursachen lagen wohl in der Ähnlichkeit der öffentlichen Missionsmethoden der "Zeugen Jehovas", von denen sich die deutschen Adventisten entschieden distanzierten.
Für den Bestand der Glaubensgemeinschaft stellte sich sehr bald die Bedeutung des Advent-Wohlfahrtswerkes und dessen soziale Betätigung heraus. In diesem Zusammenhang geht der Autor auch auf die Persönlichkeit der Leiterin des Wohlfahrtswerkes, Schwester Hulda Jost, ein, die aus der Kaiserswerther Diakonissenschule stammte. Hartlapp nennt sie eine ungewöhnliche Persönlichkeit mit einem starken Durchsetzungsvermögen. Natürlich eckte Hulda Josts Führungsanspruch und Einfluss bei der Leitung der Adventisten an. Ihre Teilnahme an der adventistischen Weltsynode in San Francisco 1936 festigte die Position der deutschen Adventisten innerkirchlich, während andererseits staatliche Attacken gegen die Friedensauer Schwesternschaft der Adventisten wegen Ablehnung von Schweinefleischgenuss deren Existenz bedrohten. Jost hatte sich auch für die Schulbefreiung adventistischer Kinder am Sabbat (Samstag) eingesetzt und damit eine Zeitlang Erfolg gehabt. Trotz ihrer Verehrung für Hitler prägte die 1938 Verstorbene nach Hartlapp mehr als alle anderen Verantwortungsträger die deutschen Adventgemeinden während der NS-Zeit.
Zunehmende Beschränkungen erfuhren die deutschen Adventisten ab Herbst 1935 durch Überwachung der Gottesdienste und das Kolportageverbot von Missionszeitschriften und Büchern, die inzwischen von 60 auf 15 Titel reduziert wurden. Unter den verbliebenen Titeln befanden sich das Neue Testament und "Der Weg zu Christus" von Ellen G. White. In diese Zeit der Isolation fiel auch das Verbot der sogenannten „Reformationsbewegung“, eine Splittergruppe, die im Ersten Weltkrieg entstand. Deren Leiter Johann Hanselmann starb nach mehrmaliger Haft schließlich im Konzentrationslager Sachsenhausen. Nach dem Kollektenverbot galten Spenden für die Evangeliumsverkündigung, den Unterhalt der Pastoren und die Saalmiete sowie das Advent-Wohlfahrtswerk in verschlossenen Umschlägen als akzeptable Form der Unterstützung der Gemeinden. Förderung des christlichen Missionsgedankens lehnte der Nationalsozialismus aus weltanschaulichen Gründen dagegen ab.
Ein weiteres Kapitel diente dem Überleben der Freikirche während des Zweiten Weltkrieges. Bereits im Sommer 1939 verfügte der Staat über die Auflösung der Adventisten im Sudetenland und deren Beschlagnahme ihres Eigentums, "obwohl gegen die Adventisten nichts Besonderes vorliege und ihre Auflösung lediglich im Rahmen einer allgemeinen Auflösung von Verbänden und Vereinen erfolge". Außerdem würden die Adventisten keine "völkische Aufgabe" erfüllen. Nach den Recherchen von Johannes Hartlapp sind von den über 35.000 deutschen und österreichischen Adventisten nur zwei Kriegsdienstverweigerer bekannt, die ihre Haltung mit dem Tod bezahlten. Glauben und Leben fand für viele deutsche Adventisten während des Zweiten Weltkrieges nur unter totaler Überwachung statt. Größere Gottesdienste konnten wegen mangelnder Räumlichkeiten kaum noch durchgeführt werden. Schon zum 1.4.1939 mußte das adventistische Predigerseminar auf der „Marienhöhe“ in Darmstadt schließen. Im Sommer 1941 stellte die Gemeindezeitschrift "Der Adventbote" sein Erscheinen ein.
Trotz der widrigen Umstände erlebten die Gemeinden während der letzten Kriegsjahre ein Wachstum, mit dem niemand gerechnet hatte. Allein im Ostdeutschen Verband wurden für 1944 von rund 600 Taufen berichtet, obwohl fast alle Pastoren zur Wehrmacht eingezogen waren.
Der Autor, Dozent für Kirchengeschichte der Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, behandelte dazu Reaktionen und Beurteilungen nach Kriegsende, machte den Versuch der Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit und ging auch auf das Weltbild der adventistischen Gemeinden in Deutschland näher ein. Ein 75-seitiges Register erleichtert dem interessierten Leser den Zugriff auf die entsprechende Thematik.
Dr. Wolfgang Tulaszewski
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