Die Menschen in der Ukraine lebten seit dem Beginn des Krieges in einer Situation starker psycho-emotionaler Anspannung und in ständigem Stress. Obwohl es den meisten Menschen bereits gelungen sei, sich an die neuen Bedingungen anzupassen, wirke sich dies nachteilig auf die Psyche aus, so Matvienko. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sei ein Viertel der Ukrainer von psychischen Störungen infolge des Krieges bedroht.
Vielzahl von Faktoren, die auf die psychische Gesundheit einwirken
Der Verlust der Heimat, der Familie, die Instabilität, die Bedrohung der persönlichen Sicherheit, die wirtschaftliche Unsicherheit, die Gefährdung des Arbeitsplatzes, die ständige Angst, Zeuge von Zerstörung und Tod zu werden, die Sorge um die Verwandten und der Verlust der Kontrolle über das eigene Leben können sich tiefgreifend auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung auswirken, sagte Matvienko. Der Zusammenbruch und die Verschlechterung der familiären Beziehungen seien weitere Faktoren. „Diese Herausforderungen können zu Depressionen, Angststörungen, posttraumatischen Belastungssyndromen, Kontrollverlust, Persönlichkeitsstörungen sowie zu Folgen geschlechtsspezifischer Gewalt und familiären Problemen führen“, erläuterte Matvienko in einem Interview.
Methodenvielfalt
Das Psychologenteam setze eine Vielzahl von Methoden ein, um den Leidenden ein möglichst breites Spektrum an Unterstützung zu bieten. So würden Informationen und Schulungen zum Umgang mit Stress, der Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen und Förderung des Selbstbewusstseins vermittelt – zudem für Probleme am Arbeitsplatz, familiäre Konflikte, Panikattacken und Depressionen. Weiterhin würden auch Psychotherapien, psychiatrische Versorgung sowie Familien- und Paartherapien angeboten.
Die häufigsten Probleme
Bis Ende 2023 drehten sich die meisten Anfragen laut Matvienko um Themen im Zusammenhang mit Stress, Trauma und schwierigen Lebensumständen. Zu den am häufigsten angesprochenen Anliegen gehörten:
• Bewältigung schwieriger Emotionen und Erinnerungen.
• Abbau von Ängsten und Stress.
• Erkennung und Linderung der Symptome von Depressionen.
• Bewältigung von Ängsten und Ungewissheit über die Zukunft.
• Überwindung von Angst und Panik bei militärischen Ereignissen.
• Umgang mit einem ständigen Gefühl der Bedrohung.
• Unterstützung der Familie während militärischer Einsätze.
• Umgang mit der Trennung von der Familie und dem Verlust geliebter Menschen.
Bei Kriegsbeginn waren posttraumatischer Stress, Angstzustände und Depressionen als Folge des Krieges die vorherrschenden Probleme, erläuterte Matvienko. Derzeit häuften sich die Anfragen zu Arbeitsplatzverlusten, finanzieller Instabilität und wirtschaftlicher Gefährdung. Der wachsende Bedarf an psychologischer Unterstützung in verschiedenen Bevölkerungsgruppen habe dazu geführt, dass der Schwerpunkt auf die Verbesserung der Sozialdienste gelegt werde.
Psychologischer Dienst steht allen Bevölkerungsgruppen offen
ADRA Ukraine biete psychologische Hilfe für alle Bevölkerungsgruppen an, die in dem von der Ukraine kontrollierten Gebiet leben, mit Ausnahme von aktiven Militärangehörigen. Um die psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, könnten die Betroffenen entweder die Hotline von ADRA anrufen oder eines der Schutzzentren des Hilfswerks aufsuchen.
Zum ausführlichen Interview mit Anna Matvienko (auf Englisch): https://www.adra.ua/en/adra-ukraine-psychologists-are-blessed-to-positively-impact-the-lives-of-those-in-need/.
ADRA Ukraine
Das Hilfswerk wurde von der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in der Ukraine gegründet und am 21. Februar 1993 vom Staat offiziell registriert. Es ist seitdem im Land tätig. Gegenwärtig arbeiten bei ADRA Ukraine mehr als 350 Menschen.
Informationen (auf Englisch): https://www.adra.ua/en/.