ELThG2 - Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde in Neuauflage

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ELThG2 - Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde in Neuauflage

APD

Die weitgehend neu geschriebene und stark erweiterte Zweitauflage des Evangelischen Lexikons für Theologie und Gemeinde (ELThG2) ist auf vier Bände angelegt und wird von einem Herausgeberkreis um Heinzpeter Hempelmann, Professor für Religionsphilosophie an der Evangelischen Hochschule Tabor, sowie Uwe Swarat, Professor für Systematische Theologie an der Theologischen Hochschule Elstal, verantwortet. Mehr als 400 Autoren arbeiten am Gesamtwerk mit, dessen Umfang im Vergleich zur ersten Auflage um rund 900 Einträge gewachsen ist.

Im November 2017 erschien Band 1, Band 2 folgte im November 2019, die weiteren Bände sollen in den Jahren 2021 und 2023 erscheinen. Das ELThG2 geht auf eine Erstausgabe zurück, die vor rund einem Vierteljahrhundert (1992-94) auf den Markt kam und drei Bände umfasste. Diese wiederum hatte im einbändigen Evangelischen Gemeindelexikon (1978) ihren Vorläufer.

Zielsetzung: Welchen Anspruch erhebt das Lexikon?
Das zu besprechende Lexikon erhebt nach Verlagsangaben den Anspruch, das „umfassende Standardwerk zur Theologie“ zu sein. Es soll alle Bereiche der Theologie abdecken und auf dem neuesten Stand der Forschung sein. In rund 3.400 Artikeln soll der gegenwärtige Ertrag evangelisch-theologischer Arbeit zusammengefasst und zu dessen konstruktiv-kritischer Verarbeitung angeregt werden.

Interdisziplinäre Orientierung
Neben den klassischen theologischen Disziplinen sollen auch Nachbardisziplinen und theologisch weniger beachtete Fächer (wie z.B. Mission, Diakoniewissenschaft und Philosophie) berücksichtigt werden. Das alles in allgemeinverständlicher Weise und weder zu kurz noch ausufernd.

Evangelikale Ausrichtung
Auch wenn das Lexikon kein „evangelikales“, sondern ein „evangelisches“ sein möchte, spielen doch jene theologischen Anliegen und Arbeitsergebnisse eine hervorgehobene Rolle, die für den von Pietismus und Erweckungsbewegung geprägten deutschsprachigen Protestantismus sowie die weltweite evangelikale Bewegung von besonderer Bedeutung sind. Diese Anliegen zeichnen sich zum einen durch eine auf biblische Erneuerung abzielende Theologie aus, zum anderen auf ihre „erweckliche“ Wirkung.

Ökumenischer Horizont
Durch die überkonfessionelle Ausrichtung und die Vielzahl von Autoren soll trotz dezidiert protestantischer Perspektive ein ökumenischer Horizont erreicht werden. Um dem Kernanliegen der „Schriftgemäßheit“ Rechnung zu tragen, wollen die Herausgeber zum einen bei stark positionellen Artikeln auch gegenteilige Standpunkte korrekt dargestellt wissen. Zum anderen sollen verschiedene Autoren mit unterschiedlichen Positionen in Teilartikeln zu Wort kommen.

Zielgruppe des Lexikons sind Theologen, kirchliche Mitarbeiter und theologisch Interessierte. Dem trägt auch der Umstand Rechnung, dass hebräische oder griechische Begriffe in Umschrift wiedergegeben werden.

Inhalt: Wie wird der Anspruch eingelöst?
Exemplarisch wird im Folgenden der Frage nachgegangen, wie das ELThG2 sein Anliegen einlöst. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Einträgen aus dem 1. Band. Verweise in Klammern beziehen sich auf den entsprechenden Band (I oder II), gefolgt von der jeweiligen Spaltenzahl.

Umfassendes Standardwerk
Wozu braucht es die Neuauflage eines weiteren theologischen Lexikons neben den bekannten deutschsprachigen Werken wie dem Evangelischen Kirchenlexikon (5 Bände), der Religion in Geschichte und Gegenwart (8 Bände), dem Lexikon für Theologie und Kirche (10 Bände) oder der Theologischen Realenzyklopädie (TRE, 36 Bände)? Die Antwort auf diese Frage liegt sicherlich nicht im Umfang des ELThG2, sondern in dessen Alleinstellungsmerkmalen.

Eines davon ist die Darstellung von landes- und freikirchlichen sowie pietistischen Persönlichkeiten und Werken im deutschsprachigen Raum. Herausgegriffen sei hier lediglich der informative Eintrag zu dem im 19. Jh. international tätigen Laienevangelisten „Friedrich Wilhelm Baedeker“, dessen Person selbst in der TRE nicht einmal Erwähnung findet. Auch sonst erstaunt die reichhaltige Fülle an Artikeln in den zwei bisher erschienenen Bänden des ELThG2, die eine Vielfalt an Themen aufgreifen und durch ihre substantielle Behandlung wertvolle Orientierung bieten.

Weniger umfangreich fallen allerdings die Einträge zu bibelwissenschaftlichen Themen aus. So fehlt beispielsweise der Begriff „Babylon“ völlig. In beiden Bänden werden lediglich die biblischen Schriften „Apostelgeschichte“, „Hebräerbrief“, „Jakobusbrief“ und „Judasbrief“ mit eigenen Einträgen bedacht, bei anderen wird auf allgemeinere Artikel, wie „Pentateuch“, „Propheten Israels“, „Evangelien“ oder „Paulusbriefe“ verwiesen. Zu den Chronikbüchern fehlt sogar jeder Verweis, obwohl sie im Rahmen von „alttestamentliche Geschichtsbücher“ explizit behandelt werden.

Interdisziplinäre Orientierung
Wie stark einzelne Stichworte von der Darstellung aus unterschiedlichen Blickwinkeln profitieren, sieht man z.B. an den Beiträgen zu „Erfahrung“ oder „Erkenntnis“. Hier werden biblische, philosophische, psychologische, praktisch-theologische und naturwissenschaftliche Aspekte zur Sprache gebracht, die eine relativ breite Orientierung ermöglichen. Hervorragend gelungen sind in diesem Sinne auch die Abhandlungen zu „Abtreibung“ und „Antichrist“, die von mehreren Autoren verantwortet werden. Selbst Einträge wie „Antisemitismus“ oder „Evangelisation“, die nur von je einem Autor verfasst wurden, weisen eine erstaunliche Weite in ihrer Darstellung auf. Besondere Erwähnung soll auch der umfangreiche Artikel zu „Homosexualität“ (II, 1255-1277) finden. Das ELThG2 schafft es, bei einem innerhalb der Kirchen derart umstrittenen Thema sachlich und unaufgeregt biologische, psychologische, historische, biblische, ethische sowie praktisch-theologische Perspektiven miteinander zu verbinden und dabei durchaus auch Position gegen den gesellschaftlichen Mainstream zu beziehen.

Dass sich diese Herangehensweise inhaltlich und raumbedingt nicht für alle Artikel durchführen lässt, ist selbstredend. Der Rezensent hätte sich dies allerdings gerade für manche kontroversen Punkte in umfassenderer Weise gewünscht. So erscheint es unverständlich, wie das Stichwort „Evolution/Evolutionstheorie“ von nur einem Autor, einem nicht-evangelikalen Biologen, behandelt werden konnte, der die Thematik zudem recht einseitig darstellt (vgl. den wesentlich ausgewogeneren Eintrag in der Erstauflage). Es bleibt leider offen, wie man in der postulierten Weise an Schöpfung glauben kann, „ohne in Widerspruch zur Biologie zu geraten“ (I, 1914). Dass über die „ideologische Schreckensgeschichte von Sozialdarwinismus, Rassismus und Eugenik“ „auf der Grundlage eines christl. Menschenbildes warnend aufgeklärt werden“ muss (I, 1917), ist zwar richtig, nur bleibt der Verfasser auch hier schuldig zu erklären, wie das auf der Basis eines evolutionären Weltbildes widerspruchsfrei geschehen soll.

Ausgleich erfährt der genannte Aufsatz nicht durch Unterartikel und auch nicht durch eine korrekte Abbildung inhaltlich gegenteiliger Standpunkte (vgl. I, Spalte X), sondern durch den Beitrag „Darwin/Darwinismus“, der erwartungsgemäß die entsprechende Kritik von theologischer Seite zur Sprache bringt.

Evangelikale Ausrichtung: Treue zum biblischen Wort
Bereits aus dem Vorwort wird deutlich, wie die Herausgeber des ELThG2 mit der Frage der theologischen Positionierung gerungen haben (I, Spalte IX). Die genannten Anliegen der „biblischen Erneuerung“ und „erwecklichen“ Wirkung setzen naturgemäß eine gewisse Treue zum Wort Gottes als Grundlage voraus.

In diesem Sinne gelungen und klar positioniert stellt sich der programmatische Artikel zum Thema „Bibelkritik“ auf. Er zeigt ihre historische Entwicklung von der Zeit der alten Kirche bis zur modernen historisch-kritischen Bibelforschung. Systematisch-theologisch wird „Bibelkritik“ als grundsätzlich kritische Haltung gegenüber der Bibel definiert, die Methode und Ergebnis der Schriftauslegung bestimmt (I, 884). Nicht die Art des Gegenstands der Auslegung entscheide über Bibeltreue oder Bibelkritik, sondern die persönliche Einstellung des Auslegers (I, 884). Auch der hervorragende Artikel „Bibel III. systematisch-theologisch“ steht in dieser Linie.

Leider wird die Ausrichtung an einer biblischen Erneuerung in manchen Einträgen ohne eine entsprechende Entgegnung konterkariert. So wirft die Behauptung des Autors von „Apokalyptik“, dass das Danielbuch in Kap. 11 einen Geschichtsüberblick als fiktive Prophetie biete, also eine Darstellung der Vergangenheit (fälschlicherweise) als Weissagung einer Person der Vorzeit ausgebe (I, 328), nicht nur ethische Fragen auf, sondern offenbart ein hermeneutisches Vorverständnis, das der Rezensent eben nicht als schriftgemäß bezeichnen würde.

Dieses Vorverständnis findet sich leider auch in Artikeln wie „Eschatologie I. biblisch“ oder „Erzväter/Erzeltern“: Wenn die Erzelternerzählungen „in einem langen Zeitraum von vielen Jahrhunderten entstanden“ sind (I, 1789), zwar auf historische Begebenheiten zurückgehen, „jedoch im Einzelnen nicht mehr eruiert werden können“ (I, 1790), stellt das den historischen Wert von biblischen Texten in ihrer Endgestalt grundsätzlich in Frage.

Ökumenischer Horizont
Der ökumenische Horizont des Lexikons zeigt sich unter anderem darin, dass beispielsweise Artikel über Kirchen und Glaubensgemeinschaften von Fachleuten aus den Reihen ihrer Mitglieder geschrieben werden. So erhält der Leser Information und Orientierung aus erster Hand. Entsprechend umgesetzt wurde dies beispielsweise bei den Einträgen zu „Altlutheranern“, „Baptisten“ und „Foursquare Deutschland“ sowie zur „Evangelisch-altreformierten Kirche“, „Evangelisch-reformierten Kirche“ und zur „Kirche des Nazareners“.

Davon gibt es leider auch Ausnahmen, wie die Stichworte „Altkatholiken“, „Adventisten“, „Anskar-Kirche“ oder „Apostelamt Jesu Christi“ zeigen. Hier stellen Konfessionsfremde die entsprechende Glaubensgemeinschaft vor, was andernorts im ökumenischen Miteinander bereits überwunden wurde (vgl. die Konfessionskunde des Johann-Adam-Möhler-Instituts, 2015) und im ungünstigen Fall leicht zu Verzerrungen führen kann. Dem Rezensenten hat sich der Grund für diese Abweichungen bisher nicht erschlossen. Ökumene auf Augenhöhe sieht jedenfalls anders aus.

Anschaulichkeit durch Bildmaterial
Personen werden im ELThG2 in der Regel mit Bild vorgestellt, was sie als Menschen greifbarer macht und ihnen im wahrsten Sinn des Wortes ein Gesicht verleiht. Auch dies ist ein Alleinstellungsmerkmal des zu besprechenden Werkes. Man kann als Leser die Mühen nur erahnen, vor allem von lange verstorbenen, weniger bekannten Individuen geeignetes Bildmaterial zu beschaffen.

Die Freude an der Anschaulichkeit wird aber etwas durch den Schwarz-weiß-Druck geschmälert. Außerdem erschienen die Portraits dem Rezensenten oft überdimensioniert, da jeweils die Spaltenbreite komplett ausgefüllt wurde. Ein optischer Mehrwert wurde dadurch allerdings nicht immer erreicht. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. „Archäologie“, „Bibelillustrationen“ oder „Epitaph“) werden Bilder lediglich bei Artikeln zu Personen geboten. Nach Meinung des Rezensenten wäre es kohärenter gewesen, ganz auf nicht-personale Illustrationen zu verzichten, sonst bleibt die Frage im Raum, warum nicht auch an anderen Stellen Bildmaterial eingesetzt wurde.

Fazit
Schon aufgrund seiner Alleinstellungsmerkmale verdient das ELThG2 bei theologischen Recherchen und darüber hinaus breite Aufmerksamkeit. Auch wenn die neue Ausgabe den im Vorwort genannten Ansprüchen nach Meinung des Rezensenten nicht immer in gleicher Weise gerecht wird, ist den Herausgebern und dem Verlag dafür zu danken, dass sie im digitalen Zeitalter ein derart aufwendiges lexikalisches Projekt auf den Weg gebracht haben, das andere Standardwerke in wohltuender Weise ergänzt.

Es ist zu wünschen, dass dieses Werk im Bewusstsein der genannten Zielgruppe seinen Platz neben den anderen großen deutschsprachigen theologischen Lexika einnimmt und damit auch evangelikal geprägter Theologie eine kräftige Stimme verleiht.

Der Einzelband des ELThG2 kostet 128 Euro, bei Subskription des Gesamtwerkes zwar schon deutlich weniger, aber immerhin noch 98 Euro. Ein Gesamtpreis von fast 400 Euro wird einige Interessierte leider davon abhalten, sich dieses Lexikon für ihre Privatbibliothek anzuschaffen. Möglicherweise folgt, wie bei den Vorgängerausgaben, nach Erscheinen aller Bände noch eine günstigere Studienausgabe. Neben der gebundenen Ausgabe stellt der Verlag auch eine digitale im EPUB-Format zur Verfügung (89,99 Euro pro Band). Jens-Oliver Mohr

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