„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“

Johann Gerhardt

© Foto: Theologische Hochschule Friedensau

„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“

APD

Leitmotiv: Die Nähe Gottes
„Die Nähe Gottes war das Leitmotiv von Johann Gerhardt“, sagte Pastor Johannes Naether (Hannover), Präsident des Norddeutschen Verbandes der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, in seiner Traueransprache. „Doch wie tragfähig ist der Glauben an Gott, wenn ein geliebter Mensch unvorbereitet aus dem Leben gerissen wird?“, fragte Naether. Er erinnerte an den alttestamentlich Patriarchen Hiob, der ebenfalls schreckliches Leid erlebte und Gott deswegen anklagte. Doch Hiob habe erfahren, dass Gott niemand abweist, sondern mit dem Menschen fühlt, sodass der Leidende bekannte: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hiob 19,25). Gerhardt sei es nicht darum gegangen, eine trockene Lebenstheorie zu vermitteln, sondern eine Brücke zu schlagen, um die Liebe Gottes den Menschen zu vermitteln. Im Zentrum habe für ihn ein „angstfreies Evangelium“ gestanden. „Er war ein gütiger Mensch, der Jesus vertraute und mit der Auferstehung zum ewigen Leben rechnete“, so Naether. Seine kurzen Rundfunkandachten hätten viele Menschen angesprochen. Er habe ihnen Mut zu einem Leben mit Gott machen wollen. Gerhardt hätte sich nicht verbiegen lassen und auch unkonventionell gehandelt. Als innerhalb der Freikirche Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt wurden, habe er sich für die Enttabuisierung der Ereignisse eingesetzt und sich seelsorgerlich der Opfer angenommen.

Generationen von Pastoren geprägt
In einem Gedenkwort wies der Dekan des Fachbereichs Theologie der Friedensauer Hochschule, Dr. Stephan Höschele, darauf hin, dass ein Mensch andere nur dann prägen kann, wenn er selbst geprägt ist. Über die Hälfte seines Lebens sei Johann Gerhardt als Lehrer tätig gewesen. Die Nähe zu seinen Studierenden habe seiner Autorität nicht geschadet. Er hätte ihnen vertraut. „Als Meister der Redekunst wies er auf den menschenfreundlichen Gott hin.“ Er wäre auch bei unterschiedlichen Positionen authentisch geblieben und hätte Spannungen im „Geist des Evangeliums“ ausgehalten. Durch sein Verhalten habe er Generationen von Pastoren geprägt.

„Johann Gerhardt zu begegnen schaffte eine Vertrautheit“, betonte der Präsident der Siebenten-Tags-Adventisten in Mittelrhein (Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland), Norbert Dorotik (Darmstadt), als Vertreter der deutschen Freikirche. Gerhardt sei in der Lage gewesen „in die Breite“ zu denken. Seine väterliche Art habe geholfen, bei festgefahrenen Diskussionen mit Deutlichkeit und Respekt vor anderen Meinungen einen Ausweg zu finden. Der frühere Leiter des Advent-Verlags in Lüneburg, Pastor Elí Diez-Prida, unterstrich, dass Gerhardt nicht nur redegewandt gewesen sei, sondern es auch verstanden habe, mit dem gedruckten Wort umzugehen. Das zeige sein 2004 erschienenes Buch „Angstfrei glauben“. Dieses habe vielen Lesern geholfen zu einem „freien und befreienden Glauben“ zu finden.

Statt Medizinstudium Pastorenausbildung
Johann Gerhardt wurde am 23.3.1944 in Neusandez im ehemaligen Galizien geboren. Nach der Flucht seiner Familie in den Westen wuchs er in Bayreuth auf und besuchte dort die Schule, wo er 1963 das Abitur ablegte. Das Angebot zur Finanzierung eines Medizinstudiums in den USA schlug er aus, nachdem er während einer Evangelisation den Entschluss gefasst hatte, Pastor zu werden. Die theologische Ausbildung absolvierte er am adventistischen Seminar Marienhöhe in Darmstadt und erhielt 1967 das Predigerdiplom. Im selben Jahr heiratete er Christa Zimmermann. Nach vierjährigem Predigtdienst in Mannheim (1967–1971) und der Ordination zum Pastor wurde er nach Pforzheim versetzt, wo er bis 1976 tätig war. Die Kirchenleitung sandte ihn anschließend zur adventistischen Andrews University in Berrien Springs, Michigan/USA, wo er 1979 sein Studium mit dem „Doctor of Ministry“ abschloss. Inzwischen waren dem Ehepaar Gerhardt die Kinder Torsten, Holger und Heike geboren worden.

Johann Gerhardt folgte 1979 einer Berufung als Dozent für Praktische Theologie an das adventistische Theologische Seminar Marienhöhe in Darmstadt. Von 1990 bis Frühjahr 1993 war er Gesamtschulleiter des Theologischen Seminars und des Gymnasiums Marienhöhe. Danach wechselte er 1993 an die Theologische Hochschule der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg. 2004 wurde Johann Gerhardt zum Professor für Praktische Theologie berufen. Bis zur Pensionierung im Jahre 2011 war er als Dozent, Dekan und seit 2007 als Rektor tätig.

Auch nach seiner Emeritierung arbeitete er weiter in verschiedenen Aufgabenbereichen der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland mit. So war er Rundfunkbeauftragter beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) und bekannt durch Andachten im MDR-Hörfunk und zahlreichen Sendungen des adventistischen TV-Senders „Hope Channel“. Er gehörte auch dem Fachbeirat der Freikirche „Sexueller Gewalt begegnen“ als Vorsitzender an.

Deeskalierend gewirkt
Bei seiner Verabschiedung in den Ruhestand im Jahr 2011 würdigte die damalige Kultusministerin des Landes Sachsen-Anhalt, Professorin Dr. Birgitta Wolff, die Verdienste des Altrektors. Insbesondere sein offensiver Kurs zur Qualitätssicherung verdiene hohen Respekt. „Ich spreche Rektor Gerhardt meinen tiefsten Dank aus“, erklärte die Ministerin. „Er hat nicht nur für die Hochschule, sondern für das Land Sachsen-Anhalt Großes geleistet.“ Die internationale Ausrichtung der Hochschule, die sich in einem sehr hohen Anteil von ausländischen Studierenden niederschlage, sei ein Kompliment für das Land. Professor Dr. Armin Willingmann, Präsident der Landesrektorenkonferenz Sachsen-Anhalts, betonte die beruhigende Funktion, die Gerhardt in zugespitzten Diskussionen eingenommen habe. „Oftmals hat er einen Wechsel der Perspektive ermöglicht und deeskalierend gewirkt.“

Hochschule Friedensau
Zur staatlich anerkannten Theologischen Hochschule Friedensau gehören die beiden Fachbereiche Christliches Sozialwesen und Theologie. Hier können acht B.A.- und M.A.-Studiengänge – zum Teil berufsbegleitend – sowie ein Kurs „Deutsch als Fremdsprache“ belegt werden. Mehr als 30 Nationen sind unter den rund 200 Studierenden vertreten.

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