Der Michael-Sattler-Friedenspreis wird seit 2006 von dem in Bammental bei Heidelberg ansässigen Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee (DMFK) verliehen. Damit zeichnet das vor 60 Jahren von der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in der Bundesrepublik gegründete DMFK zum fünften Mal Projekte oder Personen aus, die sich praktisch, theoretisch oder theologisch für Frieden und Versöhnung eingesetzt haben. Der Täufer Michael Sattler wurde 1527 in Rottenburg am Neckar wegen seines gewaltfreien Friedenszeugnisses auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.
Trotz jahrelangem Leid Verzicht auf Vergeltung
Die Ekklesiyar Yan'uwa hat ihr Hauptverbreitungsgebiet im Nordosten Nigerias. Als größte christliche Kirche der Region leidet sie seit Jahren unter den Angriffen der islamistischen Terrororganisation „Boko Haram“. Von den im April 2014 entführten 276 Schulmädchen gehörten die meisten (178) zur Ekklesiyar Yan'uwa. Etwa 2.000 ihrer Kirchen wurden zerstört, mehr als 10.000 Mitglieder, darunter sechs Pastoren, getötet. Tausende mussten ihre Heimatorte verlassen. Schulen und theologische Seminare wurden niedergebrannt oder mussten schließen.
Trotz der Aggression halte die EYN an der Friedensbotschaft des Evangeliums fest und verzichte auf den Ruf nach Vergeltung, so Wolfgang Krauß, Mitglied im ökumenisch besetzten Preiskomitee. Sie unterrichte ihre Mitglieder und besonders die junge Generation in der biblischen Lehre von Frieden und Versöhnung, knüpfe Kontakte zu dialogbereiten Muslimen und Moscheen. Mit ihren Programmen für Frieden und Gerechtigkeit arbeite sie gegen die ökonomischen und politischen Ursachen der Gewalt. So verweigere sie sich nicht nur der gewaltsamen Konfrontation – es gebe viele Beispiele persönlicher Feindesliebe – sondern leiste einen aktiven Beitrag zum Aufbau friedlicher Koexistenz von Muslimen und Christen. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sei Ausbildung und Training in Konflikttransformation.
Ekklesiyar Yan'uwa heißt auf Deutsch „Kirche der Geschwister“ oder wörtlich „Kirche der Kinder einer Mutter“. So umgeht die von Missionaren der amerikanischen Church of the Brethern (CoB) 1923 gegründete Kirche in der Sprache der Haussa das Problem der maskulin geprägten Bezeichnung ihrer Mutterkirche. Seit 1972 ist die EYN unabhängig, wird aber weiter von der CoB unterstützt. Etwa eine Million Mitglieder versammeln sich zurzeit in über 2.000 Kirchengemeinden. Seit 1963 gibt es enge Kontakte zwischen der EYN und der Basler Mission, heute „Mission 21“. Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) ist sie seit 1985. Die EYN versteht sich als Teil der weltweiten historischen Friedenskirchen. Ihre Mutterkirche, die Church of the Brethren, entstand im 18. Jahrhundert im radikalen deutschen Pietismus (Schwarzenauer Täufer), wanderte jedoch vollständig nach Amerika aus.
Laut Wolfgang Krauß sei die EYN angesichts ihrer Feindesliebe und Leidensbereitschaft eine besonders würdige Preisträgerin. Schließlich wäre die Hinrichtung des Täufers Michael Sattler am 21.5.1527 aus demselben Grund geschehen. Auch er habe der damaligen „Türkengefahr“ nicht mit Gewalt, sondern mit Gebet und Liebe begegnen wollen.
Die historischen Friedenskirchen
Zu den „historischen Friedenskirchen“ gehören die Mennoniten, im 16. Jahrhundert in der Täuferbewegung auf dem „linken Flügel“ der Reformation entstanden; die Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker), welche ihren Ursprung im 17. Jahrhundert unter den englischen Dissenters haben; und die Church of the Brethren, hervorgegangen aus dem radikalen deutschen Pietismus des 18. Jahrhunderts. Seit ihrer Entstehung orientieren sich diese Kirchen am Friedenszeugnis des Evangeliums und der frühen Kirche. Sie ermutigen ihre Glieder in der Nachfolge Jesu zu Kriegsdienstverweigerung, Friedensdienst und aktiver Gewaltfreiheit. Die Bezeichnung „historische Friedenskirchen“ entstand anlässlich einer gemeinsamen Konferenz 1935 in Newton/Kansas.
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