„Während in früheren Jahren teils signifikante Fortschritte bei der Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung zu verzeichnen waren, war dies 2015 in Europa anders“, bilanzierte der Vorsitzende von EBCO, Friedhelm Schneider aus Speyer, die aktuelle Situation. Er sah dabei Probleme auf verschiedenen Ebenen.
Neue Dringlichkeit zur Aufnahme verfolgter Kriegsdienstverweigerer
Obwohl durch die Rechtsprechung des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofes die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als Menschenrecht anerkannt und ihr Schutz demnach für die 47 Europarats-Mitgliedsstaaten verbindlich zu gewährleisten ist, würden sich einige Europarats-Staaten wie die Türkei oder Griechenland ebenso beharrlich wie ungestraft weigern, dieses Recht nicht-diskriminierend umzusetzen, kritisierte Schneider.
Die Entwicklung in der Ukraine und in ihrem Umfeld zeige zudem, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gerade dann verwehrt bleibe, wenn es am wichtigsten sei: im Kriegsfall, so der EBCO-Vorsitzende. Zum ersten Mal seit 1945 sei zudem in europäischen Staaten die Wehrpflicht nach ihrer Aussetzung wieder eingeführt worden, in der Ukraine und in Litauen, bedauerte Schneider.
Und schließlich gewinne nach Darstellung der EBCO-Studie die Aufnahme von Kriegsdienstverweigerern, die in ihrem Herkunftsland verfolgt werden, eine neue Dringlichkeit. Schneider: „In diesem Zusammenhang bleibt zu beachten, dass ein als sicheres Herkunftsland deklarierter Staat nicht unbedingt ein Land ist, in dem das Recht auf Kriegsdienstverweigerung geachtet wird.“
Verletzung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung „ein Skandal“
Dass Mitgliedsstaaten des Europarats und mit Griechenland auch der Europäischen Union das Recht auf Kriegsdienstverweigerung völkerrechtswidrig und dauerhaft verletzten, ist nach Ansicht Friedhelm Schneiders „ein Skandal“. Und dass Mitglieder europäischer Institutionen, in denen auch Deutschland vertreten sei, sich offenbar an diesen skandalösen Zustand gewöhnt hätten, bleibe beschämend, fügte er hinzu.
Der Speyerer Ruhestandspfarrer, der die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) in der Menschenrechtsorganisation EBCO vertritt, sprach sich bei der Vorlage des Jahresberichtes dafür aus, dass die evangelische Kirche sich bei Begegnungen mit Politikern stärker im Sinne der EKD-Friedensdenkschrift von 2007 engagiere. Darin heißt es, dass die evangelische Kirche die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als Menschenrecht betrachte und sich dafür einsetze, dies auch im Bereich der Europäischen Union verbindlich zu gewährleisten, so Friedhelm Schneider.
Die EBCO-Studie „Kriegsdienstverweigerung in Europa 2015“ ist die derzeit umfassendste und aktuellste Veröffentlichung zum Thema. Ihr englischsprachiger Text kann im Internet heruntergeladen werden unter www.ebco-beoc.org
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