Rechtliche Grundlage und Vokationsordnung
Die rechtliche Grundlage, dass Kirchen an öffentlichen Schulen Religionsunterricht erteilen dürfen, gehe aus Artikel 7, Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) der Bundesrepublik Deutschland hervor, so Mueller. Der Unterricht werde in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Das gelte nicht in einem Bundesland, in dem am 1.1.1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand (Artikel 141 GG – „Bremer Klausel“). So gebe es in der Freien Hansestadt Bremen an öffentlichen Schulen einen nicht bekenntnisgebundenen „Unterricht in biblischer Geschichte“, der nicht auf evangelischer, sondern auf allgemein christlicher Grundlage erteilt werde. In Berlin sei der Religionsunterricht ein Wahlfach, das nicht versetzungsrelevant ist. Im Bundesland Brandenburg finde der Religionsunterricht zwar in alleiniger Verantwortung der Religionsgemeinschaften statt, sei jedoch kein Pflichtfach.
Da in Deutschland Bildung Sache der Bundesländer ist, wären für die Ausgestaltung des Evangelischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen die Landeskirchen zuständig. Um das Fach Religion unterrichten zu können, benötigten die Lehrkräfte eine Vokation (kirchliche Bevollmächtigung). Vokationsordnungen, für welche die evangelischen Landeskirchen zuständig seien, gebe es entweder auf Bundesländerebene, etwa in Niedersachsen und Hannover, oder in den Grenzen der Landeskirchen, die nicht mit den Bundesländergrenzen identisch seien; so beispielsweise für die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und evangelische Nordkirche.
Diese Ordnungen stimmten nicht immer überein, erläuterte Mueller. Dennoch habe sich die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 2010 auf eine wechselseitige Anerkennung der Vocatio durch die Gliedkirchen der EKD geeinigt. Danach seien Grundvoraussetzungen, dass die Lehrkraft eine abgeschlossene staatlich anerkannte Ausbildung zum Lehramt mit Lehrbefähigung für das Fach Evangelische Religionslehre der betreffenden Schulart habe. Auch müsse die Unterrichtserlaubnis des Bundeslandes für dieses Fach vorliegen. Notwendig sei zudem die Bereitschaft, den Religionsunterricht nach Ordnung und Bekenntnis der jeweiligen Landeskirche zu erteilen. Außerdem sollte die Lehrkraft Mitglied einer Gliedkirche der EKD sein.
Freikirchliche Lehrkräfte
Lehrkräfte aus evangelischen Freikirchen könnten ebenfalls Religionsunterricht erteilen, wenn sie neben den Grundvoraussetzungen weitere Bedingungen erfüllten, erklärte der Jurist. Die Freikirche zu welcher die Lehrkraft gehört, müsse Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) des jeweiligen Bundeslandes oder der ACK Deutschland sein. Ein Austritt aus einer Landeskirche oder der Vollzug einer zweiten Taufe (nach der Kindertaufe auch eine Erwachsenentaufe) wäre in der Regel ein Ablehnungsgrund für eine Vocatio.
Die Freikirchen könnten mit den Landeskirchen auch Vereinbarungen über die Erteilung von Evangelischem Religionsunterricht schließen. Solche Vereinbarungen gebe es zwischen dem Bund Freier evangelischer Gemeinden, dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und der Evangelisch-methodistische Kirche mit bestimmten Landeskirchen. Auch die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) habe 1981 mit den Landeskirchen in Westfalen, im Rheinland und in Lippe sowie 2003 mit der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz derartige Sondervereinbarungen geschlossen. Diese würden jedoch nur für die Mitgliedskirchen der VEF nicht aber für deren Gastkirchen gelten, betonte Dr. Harald Mueller. Lehrkräfte, die einer Freikirche angehörten, die lediglich Gastmitglied der ACK oder der VEF seien oder der VEF und ACK überhaupt nicht angehörten, könnten nur durch eine Einzelfallprüfung die kirchliche Bevollmächtigung zur Erteilung evangelischen Religionsunterrichts erhalten. Müller schätzte in diesen Fällen die Aussichten auf eine Vocatio jedoch als gering ein.
_____________________________________________________________________________