Streit um Kirchenasyl beigelegt

Berlin, 28.02.2015/APD Die beiden großen Kirchen in Deutschland und das Bundesinnenministerium haben ihren Streit um das Kirchenasyl beigelegt. Nachdem bereits der Vergleich zwischen dem Kirchenasyl und der Scharia durch den Bundesminister des Innern zurückgezogen wurde, hat auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) klargestellt, dass die Tradition des Kirchenasyls an sich nicht in Frage gestellt werde. Gleichzeitig wurde die Einführung einer verschärften Fristenregelung aufgeschoben.

Kirchen begrüßen Kurskorrektur des Staates
„Die beiden großen christlichen Kirchen begrüßen diese wichtigen Kurskorrekturen“, sagten der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, und der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Martin Dutzmann.

„Uns liegt am Herzen, dass das Kirchenasyl in seiner bisherigen Form erhalten bleibt“, betonte Jüsten. „Das ist nun bis zum Herbst ohne Einschränkung möglich“. Im Vorfeld war vom Bundesamt angekündigt worden, die Frist zur Überstellung von Personen im Kirchenasyl, die im Rahmen der sogenannten „Dublin–Verordnung“ in einen anderen Mitgliedstaat abgeschoben werden sollen, von sechs auf 18 Monate zu verlängern. Die Entscheidung über die Einführung dieser verlängerten Frist sei nun aufgeschoben.

Zentrale Ansprechpartner für Kirchenasyl
Prälat Dutzmann hob hervor: „Gemeinden entscheiden selbstständig über die Gewährung von Kirchenasyl, wenn sie befürchten, dass einem Menschen bei seiner Abschiebung Menschenrechtsverletzungen oder unzumutbare Härten drohen. Das ist auch in „Dublin-Fällen nicht ausgeschlossen.“ „Kirchenasyl ist für uns immer ultima ratio“, ergänzte Jüsten. In der Zeit bis zum Herbst wollen die Kirchen und das BAMF nun eine neue Zusammenarbeit bei Kirchenasylfällen erproben. Dabei sollen Kirchenvertreter die Möglichkeit bekommen, Einzelfälle erneut vom Bundesamt überprüfen zu lassen, vorzugsweise noch bevor die betroffenen Personen in das Kirchenasyl aufgenommen werden. Für die Kommunikation sollen zentrale Ansprechpartner sowohl auf Seiten der Kirchen wie auch des BAMF benannt werden. „Wir hoffen, dass dies zu einer Vermeidung von Härtefällen beiträgt“, erläuterte Dutzmann.

Kirchenasyl stellt Rechtsstaat nicht in Frage
Unter anderem hätten die Teilnehmer bei einem Spitzengespräch mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, festgehalten, dass die Kirchen mit dem Kirchenasyl nicht das Ziel verfolgten, den Rechtsstaat in Frage zu stellen oder über das Kirchenasyl eine systematische Kritik am Dublin-System zu üben. Kirchenasyl sei keine eigenständige, neben dem Rechtsstaat stehende Institution, habe sich jedoch als christlich-humanitäre Tradition etabliert. „Das Bundesamt beabsichtigt nicht, die Tradition des Kirchenasyls an sich in Frage zu stellen“, heißt es in dem von allen Seiten getragenen Gesprächsvermerk.

Derzeit hätten evangelische und katholische Gemeinden in Deutschland 226 Kirchenasyle gewährt. „Angesichts von mehr als 200.000 Asylverfahren in Deutschland im Jahr 2014 unterstreichen die weiterhin niedrigen Fallzahlen den Charakter des Kirchenasyls als Nothilfe im Einzelfall“, betonten Jüsten und Dutzmann.

Auch Freikirchen gewähren Kirchenasyl

Der Mediensprecher der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, Pastor Holger Teubert (Ostfildern bei Stuttgart), begrüßte ebenfalls die Klarstellungen zum Kirchenasyl. Auch die Adventisten wären von dem Scharia-Vergleich des Bundesinnenministers betroffen gewesen. Bereits am 20. März 1996 habe die kleine, nur 26 Mitglieder umfassende Adventgemeinde Wunsiedel in Oberfranken im Fichtelgebirge über fünf Monate lang einen Flüchtling aus dem westafrikanischen Land Togo aufgenommen. Unterstützt worden seien die Adventisten damals von der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde. Am 3. September 1996 habe die Polizei den 28-Jährigen in den Räumen der Adventgemeinde verhaftet. Er sei zwei Tage später in seine Heimat abgeschoben worden. „Der Fall hat seinerzeit bundesweit Aufsehen erregt, da zum ersten Mal in Deutschland ein Kirchenasyl durch die Polizei beendet wurde“, so der Mediensprecher.

Im vergangenen Jahr habe die Adventgemeinde Hanau in Kooperation mit der Evangelischen Stadtkirchengemeinde Hanau, der Initiative „Lampedusa in Hanau“ und der diakonischen Flüchtlingshilfe etwa zwei Monate lang einen 24-jährigen Flüchtling aus Eritrea aufgenommen. Die zuständigen Behörden hätten das Kirchenasyl respektiert. Die Adventgemeinde Nürnberg-Mitte habe im Herbst 2014 einer 33-jährigen äthiopischen Christin zwei Monate lang und Ende des Jahres zwei Muslimen, 18 und 26 Jahre alt, etwa einen Monat lang in ihren Räumlichkeiten Kirchenasyl gewährt. Auch dies sei mit ausdrücklicher Duldung der Stadt Nürnberg erfolgt. Gegenwärtig befänden sich zwei weitere Muslime im Kirchenasyl der Adventgemeinde Nürnberg-Mitte, informierte Pastor Teubert.
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