Daniel Heinz/Werner Lange (Hrsg.), „Adventhoffnung für Deutschland"

Daniel Heinz/Werner Lange (Hrsg.), „Adventhoffnung für Deutschland: Die Mission der Siebenten-Tags-Adventisten von Conradi bis heute“, Advent-Verlag, Lüneburg, 2014, Paperback, 304 Seiten, 23,80 Euro, ISBN 978-3-8150-1941-2.

Ostfildern bei Stuttgart, 25.12.2014/APD Vor 125 Jahren gründete Ludwig Richard Conradi die erste Adventgemeinde in Hamburg. Obwohl schon 1875 die beiden ersten Gemeinden der Siebenten-Tags-Adventisten in Solingen und Vohwinkel entstanden, begann die offizielle missionarische Arbeit der Freikirche in Deutschland, die bis heute andauert, erst mit der Gründung der Hamburger Adventgemeinde im Jahr 1889. Dieses Jubiläum gab Anlass für das im Advent-Verlag erschienene Buch „Adventhoffnung für Deutschland: Die Mission der Siebenten-Tags-Adventisten von Conradi bis heute“. Es ist das erste Werk, das sich mit der Geschichte der Adventisten in Deutschland und speziell ihrer Mission bis heute befasst. Herausgegeben wurde der Sammelband von Daniel Heinz, Dozent für Kirchengeschichte an der adventistischen Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg und zugleich Leiter des Historischen Archivs der Siebenten-Tags-Adventisten in Europa, sowie von Werner Lange, Pastor und Lektor des Advent-Verlages. Als Autoren konnten 13 Historiker, Theologen, (ehemalige) Kirchenleiter und Zeitzeugen gewonnen werden.

Die Geschichte der adventistischen Mission in Deutschland wird in 17 Kapiteln entfaltet und durch fünf Anhänge ergänzt, darunter eine Chronik und eine Fotogalerie. Im Vorwort führt Mitherausgeber Daniel Heinz in die Thematik ein und gibt einen kurzen Abriss über den Inhalt des Buchs. Er weist auch darauf hin, dass die einzelnen Kapitel die Meinung des jeweiligen Autors wiedergeben und weder kirchliche Deutungshoheit noch historische Vollständigkeit beanspruchen.

Der Inhalt des Bandes lässt sich grob in fünf Teile gliedern, die jeweils eine zeitlich eingrenzbare Epoche abbilden beziehungsweise ein Thema unter einem speziellen Aspekt behandeln.

Der erste Teil, Kapitel 1 bis 3 (Seite 11-66), beschäftigt sich mit der Zeit von der Gründung der Freikirche in Deutschland bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Problematisiert werden in diesem Zusammenhang auch die großen Herausforderung des Militärdienstes und deren Folgen für die Gemeinschaft bis zur Entstehung der adventistischen Reformationsbewegung, welche sich von der Freikirche trennte. Die im Erscheinungsjahr 2014 abgegebene Erklärung der deutschen Freikirchenleitung zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die auch ein Schuldbekenntnis gegenüber der Reformationsbewegung beinhaltet, wird zwar in der Chronik im Anhang erwähnt, fand aber aus zeitlichen Gründen keine Bearbeitung mehr in den einzelnen Kapiteln.

Der zweite Teil mit den Kapiteln 4 bis 6 (Seite 67-126) behandelt die Zeit von der Gründung der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Auch das ambivalente Verhalten der Gemeinschaftsleitung in der NS-Zeit wird thematisiert. Der Kirchenhistoriker Johannes Hartlapp zieht dazu ein selbstkritisches Resümee: „Als eine Kirche, die den Anspruch erhob, ihren Zeitgenossen aufgrund prophetischer Einsichten klare Antworten auf die brennenden Fragen der Gegenwart geben zu können, verlor sie wegen ihrer Willfährigkeit und Anpassung ab 1933 ihre moralische Autorität. Das christliche Gewissen kapitulierte vor dem Geist der Zeit“ (Seite 111).

Im dritten Teil (Kapitel 8 bis 12, Seite 137-210) geht es um die Nachkriegszeit und die Entwicklung der Gemeinschaft in der DDR inklusive der Zusammenführung des Ost- und Westdeutschen Verbandes zum Norddeutschen Verband der Freikirche und dessen Entwicklung. Die Herausforderung bestand in dieser Epoche unter anderem in der (mangelnden) Aufarbeitung der NS-Zeit und dem Verhältnis zur adventistischen Weltkirchenleitung.

Kapitel 13 bis 15 (Seite 211-262) bieten quasi einen Sonderteil (Teil 4), bei dem spezielle Brennpunkte den Inhalt bestimmen. Hierher gehört eigentlich auch Kapitel 7, das die Entwicklung der rechtlichen Stellung der Freikirche in Deutschland bis zur Gegenwart beleuchtet. Teil 4 enthält wichtige Beiträge, unter anderem auch zu den Beziehungen der Siebenten-Tags-Adventisten zu anderen Kirchen und christlichen Organisationen, verfasst vom langjährigen Referenten der Freikirche für zwischenkirchliche Beziehungen, Holger Teubert. Der Autor legt dar, wo Grenzen im Umgang mit anderen Konfessionen bestehen, aber auch welche außergewöhnlichen Chancen mit solchen Beziehungen verbunden sind. Sein Fazit: „Eine andere Konfession erschließt sich nicht ausschließlich aus dem Studium von Büchern oder durch Internetrecherche, sondern in der persönlichen Begegnung mit Vertretern dieser Konfession“ (Seite 248).

Der fünfte Teil (Kapitel 16 und 17, Seite 263-288) rundet das Buch mit einem Blick auf gegenwärtige Herausforderungen der Freikirche und einem Ausblick ab. Johannes Naether, Vorsitzender der Freikirche in Deutschland, stellt nüchtern fest: „Die Dynamik der Pionierzeit ist in Deutschland und den Ländern Europas verflogen und die Frage nach den gegenwärtigen Herausforderungen ist mehr als eine rein technokratische Führungsfrage“ (Seite 271). Inzwischen ist ein digitales Zusatzkapitel erschienen, das über die Homepage des Advent-Verlags als Pdf-Datei heruntergeladen werden kann.

Der Rezensent konnte sich über eine gut recherchierte, erstaunlich kompakte und dennoch fundierte historische Darstellung der Entwicklung der deutschen Adventisten freuen. Zumindest zum Nachdenken anregend, wenn nicht gar ein wenig provokativ wirkt die Aussage des Mitherausgebers Daniel Heinz, „dass die Kirche immer dann an Glaubenssubstanz und Kraft einbüßte, wenn sie sich dem Geist der Zeit (Monarchismus, Nationalismus, Säkularisierung und Postmoderne) anpasste“. „Die Anpassung an den jeweiligen ‚Geist der Epoche‘ […] geschieht heute häufig freiwillig und unmerklich durch Trägheit, pluralistische Vorliebe, und eine generelle Umdeutung bzw. Vernachlässigung biblischer Wertmaßstäbe, die dem Zeitgeist zuwider laufen.“ (Seite 10).

Die Verschiedenartigkeit der Autoren macht das Werk abwechslungsreich, wenn auch ein wenig unstrukturiert. Der zeitliche Verlauf vermag dem Inhalt zwar eine grobe Gliederung zu geben, das Inhaltsverzeichnis lässt diese Gliederung allerdings vermissen, da jegliche Zwischenüberschriften fehlen. Zusätzlich gibt es inhaltlich immer wieder Sprünge zwischen reiner Darstellung und persönlicher Bewertung der Autoren, was nicht zur Einheitlichkeit des Bandes beiträgt (die letzten Seiten des Bandes erscheinen beispielsweise eher als leidenschaftliches Plädoyer für eine Verwaltungseinheit in Deutschland, denn als sachliche Darstellung einer möglichen Struktur-Reform). Eine dialektische Herangehensweise zeigt sich vor allem in den letzten Kapiteln, welche die Spannung zwischen dogmatischer Bewahrung und zukunftsfähiger Entwicklung aufzeigen.

Auch wenn der Satz „Conradi war der erste Adventist, dem es aus missionarischer und soziologischer Sicht gelungen ist, den Adventismus in Europa, genauer in Deutschland, nachhaltig zu beheimaten“ an sich korrekt sein mag, lässt sich damit aus Sicht des Rezensenten noch lange kein „evangelistisches Erfolgsrezept“ für „das Wachstum der Adventisten in Deutschland“ in heutiger Zeit ableiten, wie das Kapitel 2 (Seite 37) nahe legt. Aber selbst wenn sich der Rezensent nicht in jedem Fall den Deutungen der Autoren anschließen kann, so findet nach der anregenden Lektüre doch die Feststellung im Vorwort seine volle Zustimmung, welche die 125-jährige Motivation zur Mission folgendermaßen auf den Punkt bringt: „Bis heute stellt die Naherwartung der Wiederkunft Christi […] die missionarische Triebfeder der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten dar.“

Das Buch kann jedem, der sich über die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten informieren möchte, nur wärmstens empfohlen werden.

Jens-Oliver Mohr
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