New York/USA und Genf/Schweiz, 27.10.2014/APD Heiner Bielefeldt, Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats, forderte am 24. Oktober vor der UN-Vollversammlung, dass die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung ohne Diskriminierung auch am Arbeitsplatz zu leben, geschützt werden müsse. Laut UN-Medienmitteilung ermutigte er die Regierungen, geeignete Maßnahmen zur Vermeidung und Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund von Religion oder Weltanschauung zu ergreifen. Es seien wirksame Antidiskriminierungsvorschriften und deren Überwachungsmechanismen für Beschäftigte in öffentlichen und privaten Institutionen zu schaffen.
"Sofern dies notwendig erscheint, müssen alle Einschränkungen des Rechts, seine Religion oder Weltanschauung am Arbeitsplatz zu manifestieren, konkret und eng definiert, werden, damit sie mit den internationalen Menschenrechtsstandards übereinstimmen“, sagte der Sonderberichterstatter bei der Präsentation seines jüngsten Berichts vor der UN-Vollversammlung. "Sowohl mit Behörden als auch mit privaten Arbeitgebern geschlossene Arbeitsverträge können bestimmte arbeitsbedingte Verpflichtungen vorsehen, die einige Erscheinungsformen der Religion oder der Weltanschauung eines Mitarbeiters einschränken können“, so Bielefeldt. "Allerdings“, betonte er, "dürfen sie nie zu einer totalen Aufhebung dieses Menschenrechts am Arbeitsplatz hinauslaufen.“
Vorurteile oder „Corporate Identity“ können Religionsfreiheit einschränken
Der Expertenbericht habe die Gründe der religiösen Intoleranz und Diskriminierung am Arbeitsplatz erforscht, heißt es in der UN-Medienmitteilung. Diese könnten aus Vorurteilen der Arbeitgeber, Mitarbeiter oder Kunden bestehen oder aufgrund restriktiver Interpretationen der "Corporate Identity“ beziehungsweise wegen einer allgemeinen Angst vor religiöser Vielfalt.
Er habe die Arbeitgeber auch aufgefordert, "eine Atmosphäre der vertrauensvollen und respektvollen Kommunikation zu fördern, um es Mitarbeitenden, einschließlich der Mitglieder von religiösen oder weltanschaulichen Minderheiten zu ermöglichen, ihre Probleme zu benennen sowie ihre Bedürfnisse offen anzusprechen und damit beizutragen, dass versteckten Formen der Intoleranz und indirekte Diskriminierungsmuster entdeckt werden können“.
Konzept der "angemessenen Vorkehrungen“
Laut UN biete der Bericht von Bielefeldt eine Reihe praktischer Empfehlungen und schlage das Konzept der "angemessenen Vorkehrungen“ (reasonable accommodation) vor. Das sei ein Mittel, um den Grundsatz der Nichtdiskriminierung in geeigneter Weise zu verwirklichen und um individuelle Lösungen für religiöse Minderheiten am Arbeitsplatz zu finden. "Vorausgesetzt, es gibt Goodwill auf allen Seiten, können in den meisten Fällen praktische Lösungen gefunden werden“, so der Bericht.
Bevorzugung religiöser Minderheiten?
Obwohl mit dem Konzept der "angemessenen Vorkehrungen“, im Sinne eines Entgegenkommens für religiöse oder weltanschauliche Minderheiten, viele positive Erfahrungen gemacht worden seien, werde ihm weiterhin mit Skepsis und Widerstand begegnet, heißt es im Dokument. Es werde befürchtet, dass solche Maßnahmen Minderheiten auf Kosten der Gleichberechtigung unter Kollegen bevorzugen, die "Neutralität“ gewisser Institutionen beeinträchtigen oder die Tore für Sonderwünsche anderer Angestellter öffnen könnten.
Diesen Bedenken gegenüber hält Bielefeldt im Bericht fest, dass es sich bei solchen Entgegenkommen nicht um eine Bevorzugung von religiösen Minderheiten handle. Vielmehr gehe es um eine "substanzielle Gleichberechtigung“. Im Rahmen der Menschenrechte bedeute Gleichberechtigung nicht Gleichheit oder Uniformität, sondern immer eine für Vielfalt offene, "komplexe Gleichberechtigung“, die zu einer facettenreichen Gesellschaft und zum Wohl aller beitrage.
Juden und Adventisten Opfer von indirekter Diskriminierung
Neben offener religiösen Intoleranz und direkter Diskriminierung gebe es auch versteckte Formen, die nicht leicht zu entdecken seien. Sie lägen hinter "neutralen“ Vorschriften verborgen, die vordergründig auf alle gleichermaßen zutreffen würden, auf einige Angestellte aber überproportional negative Auswirkungen hätten. So hätten Arbeitnehmende, die aus religiöser Überzeugung an einem Tag der Woche nicht arbeiten würden, zusätzliche Probleme. Das treffe unter anderem auf Juden und Siebenten-Tags-Adventisten zu, welche ihre Arbeitsstelle verloren hätten, weil sie am Samstag (Sabbat) nicht gearbeitet hätten, heißt es im Bericht.
Heiner Bielefeldt trat sein Mandat am 1. August 2010 als Sonderberichterstatter der Religions- und Weltanschauungsfreiheit an. Er ist regierungsunabhängig und agiert in eigener Kompetenz. Bielefeldt ist Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Von 2003 bis 2009 war er Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Die Forschungsinteressen des Sonderberichterstatters umfassen verschiedene interdisziplinäre Facetten der Menschenrechte in Theorie und Praxis, mit einem Fokus auf der Religions- und Weltanschauungsfreiheit.
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