Aserbaidschan: Razzia der Polizei in adventistischem Gottesdienst

Oslo/Norwegen, 23.05.2012/APD Mindestens 20 Polizisten, darunter auch der örtliche Polizeichef, haben am Samstag, 12. Mai, bei einer Razzia die Gottesdienstbesucher der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten im Stadtteil Kapaz von Gyanja, der zweitgrößten Stadt in Aserbaidschan, überprüft. Laut der norwegischen christlichen Menschenrechtsorganisation "Forum 18" in Oslo beteiligte sich auch Firdovsi Kerimov, örtlicher Leiter des staatlichen Komitees für religiöse Angelegenheiten, daran. Er habe seine Teilnahme an der Razzia gegenüber Forum 18 aber verneint.

Suche nach Ausländern
Die Polizei habe kurz nach Beginn des Gottesdienstes zunächst nach Ausländern gesucht und die Personalausweise aller Anwesenden kontrolliert, so "Forum 18". Ausländer dürften zwar an religiösen Veranstaltungen teilnehmen, riskierten aber Bestrafung und Ausweisung ohne Gerichtsprozess, wenn sie ohne staatliche Genehmigung religiöse Aktivitäten durchführten. Die Bestimmungen des Religionsgesetzes seien nämlich sehr vage und unspezifisch.

Überprüfung von 50 Kindern
Als die Polizei keine Ausländer gefunden habe, seien laut der Menschenrechtsorganisation alle rund 50 anwesenden Kinder überprüft worden, ob sie eine von beiden Elternteilen unterzeichnete Erlaubnis vorweisen könnten, an einer kirchlichen Versammlung teilnehmen zu dürfen. Wie "Forum 18" meldete, sei dies laut dem Religionsgesetz aus dem Jahr 2009 allerdings keine Vorschrift mehr. Staatliche Beamte forderten diese Bescheinigung der Eltern aber oft von Kindern in Kirchen und Religionsgemeinschaften, die unter Beobachtung stünden.

Vierzehn Kinder und deren Eltern, die das erste Mal bei einem adventistischen Gottesdienst anwesend waren, hätten keine schriftliche Einwilligung gehabt. Nach einigen Stunden der Befragung sei den Kindern mitgeteilt worden, dass gegen die Eltern Anklage erhoben werde und wegen der fehlenden schriftlichen Einwilligungen mit Geldstrafen zu rechnen sei. Es habe schon Fälle gegeben, so protestantische Informanten gegenüber "Forum 18", bei denen die Eltern ihre Unterschriften hätten notariell beglaubigen lassen müssen.

Empfindliche Geldstrafe
Mindestens ein adventistisches Kirchenmitglied sei Tage nach der Razzia vorgeladen und beschuldigt worden, gegen Artikel 299.0.3 des Kodex der Ordnungswidrigkeiten verstoßen zu haben. Dieser Artikel enthalte Strafen für "Geistliche und religiöse Gemeinschaften, die besondere religiöse Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche abhalten". Der beschuldigte Adventist sei ohne Gerichtsprozess zu einer Geldstrafe von 1.700 Manat (1.700 Euro) verurteilt worden. Das jährliche durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt in Aserbaidschan umgerechnet 2.940 Euro.

Laut "Forum 18" habe die Razzia bei den Adventisten zwei Wochen nach einer Durchsuchung im Heim eines Zeugen Jehovas in Sumgait, 20 Kilometer nördlich von Baku, stattgefunden, in dessen Haus religiöse Literatur beschlagnahmt worden sei. Die Polizei in Sumgait habe gegenüber "Forum 18" angegeben, dass "keine Razzia stattgefunden habe". Obwohl die Verfassung Aserbaidschans formell Religionsfreiheit zusichere, komme es laut der Menschenrechtsorganisation immer wieder zu Polizeimaßnahmen wegen "illegaler Gottesdienste" auch in Privathäusern.

In Aserbaidschan leben rund 9,5 Millionen Einwohner, davon werden 93,4 Prozent zum Islam, mehrheitlich schiitischer Ausprägung, gezählt; 2,5 Prozent sind russisch-orthodox, 2,3 Prozent armenisch-orthodox und 1,8 Prozent Anhänger anderer Religionen oder Konfessionen. Es gibt im Land schätzungsweise 7.000 Protestanten und eine römisch-katholische Kirche mit 390 Mitgliedern. Die Zeugen Jehovas haben 924 Mitglieder in sieben Gemeinden.

In Aserbaidschan sind die Adventisten seit über einhundert Jahren vertreten. Gegenwärtig gibt es 729 erwachsen getaufte Siebenten-Tags-Adventisten in fünf Gemeinden, die von drei Pastoren betreut werden.

Am 26. Mai findet in der Hauptstadt Baku der Eurovision Song Contest 2012 statt.

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