Keine christliche Mission ohne christliche Ethik

Empfehlungen für einen Verhaltenskodex für rund zwei Milliarden Christen

Genf/Schweiz, 29.06.2011/APD "Heute Nachmittag schreiben wir Geschichte", sagte Kardinal Jean-Louis Tauran, am 28. Juni, anlässlich der Vorstellung des siebenseitigen Dokuments "Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt", am Ökumenischen Zentrum in Genf. Das Dokument wurde in fünfjähriger Arbeit durch den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog (PCID) und der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) erarbeitet. Die drei Kirchenorganisationen vertreten gemeinsam weltweit rund zwei Milliarden Christen.

Zunehmende interkonfessionelle und interreligiöse Spannungen bildeten den Anlass für das Dokument, das "Empfehlungen für einen Verhaltenskodex" von Christen untereinander und bei Missionsbemühungen gegenüber Menschen mit einer anderen oder keiner Religion enthält. Christliche Kirchen, Kirchenbünde und Missionsgesellschaften sollen auf Grund des Dokuments angeregt werden, ihre Bekehrungsaktivitäten in Wort und Tat zu überdenken und nötigenfalls anzupassen.

Prinzipien christlicher Mission
"Es darf keine christliche Mission ohne christliche Ethik geben", sagte Dr. Geoff Tunnicliffe, Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), anlässlich der Vorstellung des Dokuments im ÖRK-Zentrum. Die zwölf Prinzipien in der Mitte des Dokuments konkretisierten die Ethik, welche die Verkündigung der christlichen Botschaft bestimmen soll. Diese Grundsätze bildeten einen Ethikkodex für alle Christen, der noch nie so deutlich ausgesprochen worden sei, so Tunnicliffe. "Christliches Zeugnis erfordert christliches Verhalten", betonte Pfarrer Dr. Olav Fyske Tveit, ÖRK-Generalsekretär.

Mit Bezug auf die Bibelstelle in 1. Petrus 3,15–16, sei das Vermitteln der christlichen Hoffnung gegenüber anderen Menschen, sowie das Bezeugen von Jesus Christus, eine Freude und ein Privileg für jeden Christen, schreiben die Autoren. Wer von Jesus Christus Zeugnis gebe, müsse dies aber auch in der Art und Weise Jesu tun: In Freundlichkeit, Respekt, Integrität, Barmherzigkeit und Demut. Jegliche Form der Gewaltanwendung bei Bekehrungsbemühungen, auch in Form von psychischem oder gesellschaftlichem Druck, Missbrauch von Macht, Diskriminierung oder Benachteiligung, müsse zurückgewiesen werden. Dies gelte auch für das in Aussicht stellen materieller Vorteile oder das Ausnützen von Notsituationen. Christliche Mission bestehe in der Verkündigung des Reiches Gottes, dem Dienst am Nächsten, im Einsatz für gerechte Verhältnisse und in der Selbsthingabe für Andere, die Jesus letztlich ans Kreuz gebracht habe, so das Dokument.

"Die christliche Botschaft müssen wir trotz unserer Trennungen ohne alle Kompromisse verkünden", betonte Kardinal Jean-Louis Tauran, Präsident des PCID, in seiner Kurzansprache bei der Präsentation des Dokuments, "wir dürfen sie aber niemals jemandem aufdrängen."

Kritik an christlichen Konfessionen und anderen Religionen
Arroganz und Herablassung gegenüber anderen sowie deren Verunglimpfung, müsse überwunden werden. "Alle Anmerkungen oder kritischen Anfragen sollten in einem Geist des gegenseitigen Respekts erfolgen", schreiben die drei christlichen Organisationen. Dabei solle sichergestellt werden, dass Falschaussagen über andere Religionen unterblieben. Interkonfessionelle und interreligiöse Dialoge bieten eine gute Gelegenheit, sich gegenseitig besser kennen zu lernen, sich zu versöhnen und sich gemeinsam für das Gemeinwohl einzusetzen, empfiehlt das Dokument.

Religionsfreiheit
"Religionsfreiheit beinhaltet das Recht, seine Religion öffentlich zu bekennen, auszuüben, zu verbreiten und zu wechseln. Diese Freiheit entspringt unmittelbar aus der Würde des Menschen, die ihre Grundlage in der Erschaffung aller Menschen als Ebenbild Gottes hat", halten die Kirchenorganisationen fest. Daraus folge, dass alle Menschen gleiche Rechte und Pflichten hätten. Wenn eine Religion für politische Zwecke benützt werde, oder wo es religiöse Verfolgung gebe, seien Christen aufgerufen, sich mit ihrem prophetischen Zeugnis zu engagieren und solche Handlungen zu verurteilen.

Bekehrung
Christen könnten Zeugnis von ihrem Glauben geben, so Kardinal Jean-Louis Tauran, "Bekehrung ist aber nicht mach- oder programmierbar." Bekehrung sei ein Geheimnis, bei dem die Freiheit Gottes auf die des Menschen treffe. Es sei und bleibe aber die Aufgabe der Christen, andere Menschen zum Glauben an Jesus Christus einzuladen.

An der ersten der drei Konsultationen zur Erarbeitung des Dokuments, 2006, sei Wesentliches zu Bekehrungsbemühungen gesagt worden, steht im Anhang. Eine Aussage jener Konsultation im italienischen Lariano habe gelautet: "Wir bekräftigen, dass jeder Mensch das Recht hat, für Verständnis für den eigenen Glauben zu werben, die Ausübung dieses Rechts jedoch nicht auf Kosten der Rechte und religiösen Empfindungen anderer gehen darf. Religionsfreiheit legt uns allen die nicht verhandelbare Verantwortung auf, andere Glaubensrichtungen zu respektieren und sie niemals zu diffamieren, herabzuwürdigen oder falsch darzustellen, um dadurch die Überlegenheit unseres eigenen Glaubens zu betonen."

Betreffs der Außenwirkung des Dokuments schließe er auf Grund erster Rückmeldungen, dass es Einfluss auf die Anti-Bekehrungs- und Blasphemie-Gesetzgebung in gewissen Staaten habe, sagte WEA-Generalsekretär Tunnicliffe. Im interkonfessionellen Dialog habe die Arbeit an diesem Dokument eine neue Brücke zwischen den drei beteiligten Organisationen gebaut, die sie weiterhin benützen wollten.

"Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt" steht in Deutsch, Englisch, Spanisch und bald auch in Französisch auf der Website des ÖRK zum Download bereit: http://tinyurl.com/68llx27 (Deutsche Version).

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