Trotz Freispruch Strafbefehl wegen sexuellen Missbrauchs

Hannover | APD

Hannover, 01.06.2011/APD Der Missbrauch eines Kindes durch einen 55-jährigen Familienvater, welcher als Mitglied zur adventistischen Gemeinde Lahr gehörte, sei juristisch zum Abschluss gekommen, teilte Pastor Martin Knoll (Hannover), Vorsitzender des Fachbeirates "Sexueller Gewalt begegnen“ der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, mit. Am 30. Juni 2010 hatte das Schöffengericht am Amtsgericht Offenburg den Beklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs sowie sexuellen Missbrauchs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Damit ging das Gericht weit über den Antrag des Staatsanwalts hinaus, der zehn Monate Haft gefordert hatte. Der Angeklagte sprach damals von harmlosen Handlungen ohne jeden sexuellen Hintergrund. Sein Rechtsanwalt plädierte daher auf Freispruch. Gegen das Urteil legte die Verteidigung Rechtsmittel ein.

"Am 8. und 14. April 2011 fand die Berufungsverhandlung am Landgericht Offenburg statt“, so Knoll. Dort sei der Beklagte "aufgrund der zeitlichen Schwierigkeit, die Vorfälle stimmig einzuordnen“, freigesprochen worden. Parallel dazu habe jedoch das Amtsgericht Lahr vor Beginn des zweiten Verhandlungstages des Landgerichts einen Strafbefehl mit einer einjährigen Bewährungsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs erlassen. Da die Verteidigung den Strafbefehl akzeptiert hätte, sei der Beklagte trotz Freispruchs jetzt vorbestraft, teilte Knoll mit.

"Der Richter hat in seinem Schlusswort deutlich gemacht, dass das Gericht dem Opfer glaubt, dass allerdings aufgrund der schwierigen Beweislage nach gültigem Recht der Beklagte freizusprechen ist“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Fachbeirates "Sexueller Gewalt begegnen“. Gleichwohl sehe er den Beklagten als schuldig aufgrund seiner eigenen Schilderungen verschiedener Vorfälle hinsichtlich des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs an. "Der Richter mahnte den Beklagten, die Dinge nicht nur aus seiner eigenen Sicht zu bewerten, sondern auch darüber nachzudenken, dass Dinge, die er selbst für richtig hält, deshalb bei anderen nicht auch so empfunden und bewertet werden müssen.“ Er habe zudem klargemacht, dass die vom Beklagten selbst eingeräumten Handlungen Folgen bei dem Opfer gehabt haben könnten, die der Beklagte nicht einschätzen könne. Der Richter gab dem Beklagten zu bedenken, dass man nicht nur Verantwortung für das eigene Handeln, sondern auch für die Wirkung des eigenen Tuns bei anderen zu tragen habe; und das besonders dann, wenn vom eigenen Handeln Menschen betroffen wären, die laut Aussage des Beklagten, für ihn "wie eine Tochter“ gewesen seien.

Der Fachbeirat glaube dem Opfer und sehe in der Verurteilung mit einem Jahr auf Bewährung eine Entsprechung der Situation. Er empfehle laut Stellungnahme der Adventgemeinde Lahr, den Beklagten "als eindeutiges und klärendes Zeichen“ aus der Gemeinde auszuschließen und dadurch die Mitgliedschaft zu entziehen. Wie Pastor Knoll mitteilte, sei der Beklagte aber inzwischen selbst aus der Freikirche ausgetreten. Der Fachbeirat habe ihm im Sinne einer Hilfestellung eine therapeutische Aufarbeitung seiner Vorgehensweise und seiner Sicht empfohlen.

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