Ökumenisches Patriarchat will kein Spielball der Politik sein

Metropolit Staikos zu den Problemen der kirchlichen Existenz in der Türkei

Istanbul/Türkei, 21.10.2009/APD Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel lässt sich nicht zum Spielball der Politik machen. Das betonte der Wiener orthodoxe Metropolit und Mitglied des Heiligen Synods, Michael Staikos, vor Journalisten aus Deutschland, Österreich, Polen und der Schweiz in Istanbul.

Erst unlängst habe der türkische Europaminister Egemen Bagis beim "Forum Alpbach" in Tirol erklärt, dass eine Besserstellung der türkischen Minderheit im griechischen Westthrakien für die Wiedereröffnung des orthodoxen Priesterseminars und der Theologischen Hochschule auf der Prinzeninsel Chalki sehr hilfreich wäre. Solche Geschäfte seien aber inakzeptabel, so Metropolit Staikos bei der Begegnung mit den Medienvertretern im Phanar: "Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun".

Der türkische Staat hatte die theologische Hochschule des Patriarchats 1971 im Zuge eines Verbots privater Hochschulen geschlossen. Seither wurde eine Wiedereröffnung stets abgelehnt, obwohl private Universitäten inzwischen wieder erlaubt und weit verbreitet seien. In letzter Zeit mehrten sich Gerüchte, dass eine Öffnung vor der Tür stehen könnte. So berichteten türkische Zeitungen immer wieder von entsprechenden Absichten der Behörden, auch die EU-Kommission drängt stets darauf. Papst Benedikt XVI., US-Präsident Barack Obama wie auch der neue russischorthodoxe Patriarch Kyrill I. hatten bei ihren Türkei-Besuchen das Problem Chalki ebenfalls angesprochen. Er habe aber den Eindruck, so Staikos, dass diese Initiativen von außen eher kontraproduktiv seien. Die Türkei betrachte dies als eine Einmischung in innere Angelegenheiten. Patriarch Bartholomaios I. sei jedenfalls "bis heute von staatlicher Seite noch nicht auf das Problem Chalki angesprochen" worden.

Das bestätigte auch der Pressesprecher des Patriarchats, Erzpriester Dositheos Anagnostopoulos: "Es gibt leider keinen Dialog mit Ankara". Allein seit 1991 habe es von Seiten des Patriarchats 19 Eingaben an die Behörden in Sachen Chalki gegeben, zwei habe Patriarch Bartholomaios I. persönlich der Regierung in Ankara überreicht. Doch bislang gebe es keine Reaktion darauf, berichtete Anagnostopoulos.

Der Vorwurf, dass sich das Ökumenische Patriarchat in Chalki von keiner staatlichen Behörde kontrollieren lassen wolle, sei ebenfalls nicht haltbar, so Staikos und Anagnostopoulos. Der Pressesprecher des Patriarchats verwies auf eine Regelung aus dem Jahr 1951, die heute aber offensichtlich auf Seiten der Behörden niemand mehr kenne. Staikos: "Chalki stand zwar unter der geistlichen Leitung des Ökumenischen Patriarchats, wurde aber immer auch vom zuständigen Ministerium kontrolliert". Dagegen habe man nichts einzuwenden, Patriarch Bartholomaios I. habe mehrfach entsprechende Vorschläge unterbreitet.

Metropolit Staikos ist noch bis Februar 2010 ständiges Mitglied des Heiligen Synods. Der Heilige Synod ist das oberste Leitungsgremium der Kirche von Konstantinopel, ihm ist auch die Wahl der Bischöfe übertragen. Vor sieben Jahren führte Patriarch Bartholomaios I. die Regelung ein, dass die Hälfte der zwölf ständigen Mitglieder des Synods aus den außerhalb der Türkei liegenden Diözesen kommen müsse. Dagegen seien zwar bei der türkischen Staatsanwaltschaft Beschwerden eingebracht worden, bislang hätten die Behörden aber nicht eingegriffen. Hinter vorgehaltener Hand werde dem Patriarchen vermittelt, dass man die neue Regelung bis auf weiteres toleriere, aber, so Staikos: "Es gibt kein Gesetz, wonach dies verboten ist." Letztlich gebe es überhaupt keine gesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit dem Patriarchat, weil dessen Existenz sich in einem juristischen Schwebezustand abspiele.

Das offizielle Ankara betrachte bis heute das Ökumenische Patriarchat als nur für die in der Türkei lebenden Orthodoxen zuständig und berufe sich dabei auf den Friedensvertrag von Lausanne (1923). Den "ökumenischen" (weltumspannenden) Charakter des Patriarchats wolle die Türkei nicht anerkennen. Das sei beispielsweise erst vor wenigen Monaten wieder in einem entsprechenden Bericht des Außenministeriums über religiöse Minderheiten in der Türkei deutlich geworden, der dem türkischen Parlament vorgelegt wurde.

Rechtspersönlichkeit notwendig

Das Ökumenische Patriarchat, wie auch die anderen religiösen Minderheiten im Land, müssten endlich den Status einer Rechtspersönlichkeit erlangen, forderte Staikos. Offiziell existiere die Kirche nur über fromme Vereine und Stiftungen ("vakf") und könne so auch nicht direkt Besitz erwerben oder verwalten. Nicht einmal der Phanar, der Sitz des Patriarchen "gehöre" dem Patriarchat. Offiziell gehöre der Phanar vielmehr zur Georgskathedrale, die als Stiftung eingetragen sei.

Die Rechte der kirchlichen Stiftungen würden immer mehr beschnitten, kritisierte Staikos. Es komme zu Enteignungen. Derzeit würden allerdings viele Prozesse angestrengt, es gebe auch immer wieder Entscheidungen auf europäischer Ebene zugunsten der kirchlichen Stiftungen; zuletzt erst Anfang Oktober.

Metropolit Staikos verwies unter anderem auf das große orthodoxe Waisenhaus auf der Prinzeninsel Büyükada, für welches das Ökumenische Patriarchat bis zum Europäischen Menschengerichtshof prozessiert habe. Um das Waisenhaus hatte es einen jahrzehntelangen Rechtsstreit gegeben. Ursprünglich als Hotel geplant, war der Bau 1902 in das Eigentum der Kirche übergegangen. Wie üblich, wurde das Waisenhaus als Stiftung organisiert. In den sechziger Jahren kam es dann zu einem Brand und in Folge zur Schließung des Hauses. Daraufhin stellten sich die türkischen Behörden auf den Standpunkt, dass damit die Stiftung erloschen sei und übertrugen die Immobilie an die staatliche Zentralverwaltung der Stiftungen. Dagegen prozessierte das Ökumenische Patriarchat durch alle Instanzen und habe schließlich 2008 vom Europäischen Menschengerichtshof Recht bekommen.

Metropolit Staikos kritisierte auch die Tatsache, dass nur ein türkischer Staatsbürger zum Ökumenischen Patriarchen gewählt werden dürfe: "Alle Bischöfe des Ökumenischen Patriarchats sollen wählbar sein und der neue Patriarch soll dann die türkische Staatsbürgerschaft bekommen". Dafür gebe es auch ein Beispiel in der Geschichte. Als der Metropolit von Nord- und Südamerika, Athenagoras, 1948 zum Ökumenischen Patriarchen gewählt wurde, bekam er bei seiner Ankunft in der Türkei die Staatsbürgerschaftsurkunde überreicht.

Von einem Priestermangel können Staikos und Anagnostopoulos aber nicht sprechen, vielmehr von einem Gläubigenmangel. Für die seelsorgliche Betreuung der griechisch-orthodoxen Restminorität in Istanbul stehen 40 meist ältere Geistliche zur Verfügung. In rund 80 Kirchen wird oft abwechselnd Gottesdienst gefeiert. Auch die griechische Schule in Istanbul ist nach wie vor geöffnet, wird aber nur von wenigen Schülern besucht. Staikos: "Sogar in Wien haben wir mehr Schüler als hier".

Einer jüngst veröffentlichten Umfrage, wonach eine Mehrheit der Türken religiösen Minderheiten ablehnend gegenübersteht, wollten Staikos und der Pressesprecher des Patriarchats keinen Glauben schenken. Die Menschen seien sehr tolerant und hätten Respekt vor anderen Religionen. Staikos: "Seit 30 Jahren bin ich immer wieder als Priester und Bischof in Istanbul. Und immer wurde ich sehr respektvoll behandelt. Nie gab es Probleme".

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