Jerusalem, 09.10.2008/APD Das Dach der Jerusalemer Grabeskirche ist nach Angaben der israelischen Tageszeitung "Haaretz" akut einsturzgefährdet. Israelische Ingenieure hätten festgestellt, dass der Zustand der Bausubstanz am dort befindlichen äthiopischen Kloster Deir-es-Sultan "lebensgefährlich" sei.
Im Falle eines Einsturzes wären laut "Haaretz" nicht nur die äthiopischen Mönche auf dem Dach gefährdet, die dort in 26 winzigen Steinhütten leben und eine zweistöckige Kirche hüten. Bedroht seien auch Besucher der darunter liegenden Kapelle St. Helena sowie eine Kapelle der Armenier, in der sich der Golgatha-Hügel und das leere Grab Jesu befinden. Die Außenmauern des Klosters Deir-es-Sultan stammen aus dem 4. Jahrhundert und wurden unter Kaiser Konstantin errichtet.
Das israelische Innenministerium erklärte sich den Angaben zufolge bereit, die Reparaturarbeiten zu finanzieren. Es mache seine Bereitschaft aber davon abhängig, dass die Kirchen ihre Auseinandersetzungen beilegten. Seit Jahrhunderten gibt es an der Grabeskirche Besitz- und Kompetenzstreitigkeiten zwischen den christlichen Konfessionen. Wie in der Bethlehemer Geburtsbasilika teilen sich sechs Konfessionen bestimmte Rechte.
Dabei komme es, nach Angaben der Agentur Kathpress, immer wieder zu Unstimmigkeiten über die Interpretation des sogenannten "Status quo" aus dem 19. Jahrhundert, ein Meisterwerk osmanischer Diplomatie, das das diffizile Miteinander grundsätzlich regelt. Darin sind die genauen Prozessions- und Gebetszeiten sowie jeder Kerzenständer, jede Treppe und Stufe mitsamt ihrem "Besitzer" notiert. Vor allem die Vertreter der beiden größten orthodoxen Konfessionen, der Griechen und der Armenier, geraten immer wieder handgreiflich aneinander.
Auch die koptisch-orthodoxe Kirche beansprucht das Kloster Deir-es-Sultan für sich. Die äthiopisch-orthodoxe Kirche hatte es vor etwa 150 Jahren mit Zustimmung des Paschas von Jerusalem übernommen, nachdem die koptischen Mönche einer Pestepidemie zum Opfer gefallen waren.
Nicht nur das "äthiopische Dach" stellt die israelischen Behörden und die Kirchen vor Probleme. Seit Ostern 2001 lässt die Polizei nur noch wenige tausend Personen zur Osterfeuerzeremonie in die Kirche, in der sich früher bis zu 15.000 Pilger drängten. Die Feuerwehr forderte zuvor einen Notausgang, der aber nur im Bereich der römisch-katholischen Kirche hätte eingerichtet werden können. Die übrigen Kirchen, insbesondere das orthodoxe Patriarchat von Jerusalem, legten ein Veto ein, weil das den "Lateinern" zusätzliche Rechte eingeräumt hätte.
Auch das morsche Holzdach der Geburtskirche in Bethlehem kann wegen eines ähnlichen "Status quo" nicht restauriert werden.
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