Vatikan startet neue Bibel-Offensive

Rom/Italien, 15.06.2008/APD Die römisch-katholische Kirche will mit einer Bibel-Offensive die Bedeutung der Heiligen Schrift für ihre Gläubigen und die katholische Kirche, aber auch für ihren Kontakt mit anderen Religionen und Kulturen aufwerten. Dabei müsse besonders die Rolle der Bibel als Quelle für Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit, Menschenrechte und Bewahrung der Schöpfung deutlich gemacht werden, heißt es im Arbeitspapier "Instrumentum laboris" zur nächsten Weltbischofssynode, das am 12. Juni im Vatikan veröffentlicht wurde. Die XII. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode vom 5. bis 26. Oktober steht unter dem Motto "Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche".

Das Arbeitspapier, das als Grundlage für die dreiwöchigen Beratungen im Oktober gilt, soll neben den bisherigen acht Sprachen auch auf Chinesisch und Arabisch erscheinen. Bisher liegt es auf Latein, Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Deutsch, Portugiesisch und Polnisch vor.

Nach Angaben des kroatischen Synoden-Sekretärs Erzbischof Nikola Eterovic warnt der über 90-seitige Text vor einer fundamentalistischen Bibelinterpretation, welche die geschichtliche Dimension der Offenbarung leugnet oder in eine engstirnige Wörtlichkeit flieht. Das Wort Gottes der ganzen Bibel müsse im Leben und der Sendung der Kirche den ersten Platz einnehmen. Dazu gehöre eine der Kultur, dem aktuellen Lebenskontext und den Erfordernissen der Zeit angemessene Pädagogik und Vermittlung. Denn letztlich richte sich das Heilswort Gottes an jeden Menschen.

Aufgabe der katholischen Kirche sei es, dieses Wort allen Völkern als "Gute Nachricht der Befreiung, des Trostes und des Heiles bekannt" zu machen. Dies müsse im Dialog innerhalb der Kirchen und mit den anderen Religionen und darüber hinaus auch mit den anderen Kulturen geschehen.

Nach einer Umfrage bei allen katholischen Bischofskonferenzen und Ordensgemeinschaften registrierte die Synode in ihrem Vorbereitungspapier bei den Gläubigen eine "größere Vertrautheit" mit der Bibel. Allerdings sei und bleibe die Kenntnis der Heiligen Schrift oft nur eine oberflächliche oder verkürzte. Auch lasse der Zugang zum Wort Gottes in der Liturgie oft zu wünschen übrig, heißt es in dem Text.

Mit Nachdruck unterstreicht das Papier die Verbindung von Tradition, Schrift und Lehramt. Letztlich sei es Aufgabe des Lehramtes der Kirche, das Wort Gottes "verbindlich zu erklären".

Die Weltbischofssynode, an der im Herbst rund 300 von den Bischofskonferenzen gewählte und vom Papst bestimmte Bischöfe und Experten teilnehmen, erwartet von der "Wiederentdeckung des Wortes Gottes" eine Erneuerung der Kirche. So könne sie mit "neuer Dynamik ihre Sendung der Evangelisierung und der Förderung des Menschen erfüllen". Dazu sei auch die historisch-kritische Methode – ergänzt durch andere Zugangsweisen – erforderlich, macht das Papier mit Blick auf manche Polemik deutlich.

Dabei warnen die Autoren ausdrücklich vor "eigensinnigen und verkürzten" Interpretationen und vor einer "ideologischen Bibel-Lesung". Diese folge allzu leicht nur einem "engen geistlichen, sozialen oder politischen oder einfach einem menschlichen Vorverständnis", ohne Blick auf den Glauben.

Die extreme Form eines fundamentalistischen Bibel-Umgangs finde sich etwa bei Sekten, führt das Papier aus: "Hier wird die Schrift dem dynamischen und belebenden Wirken des Geistes entzogen und die Gemeinschaft stirbt mehr und mehr ab". Letztlich bleibe nur noch eine geschlossene Gruppe, die in sich selbst keine Unterschiede und Pluralität mehr zulasse und gegenüber anderen Denkweisen eine aggressive Haltung zeige.

Die kommende Bischofssynode wolle deutlich machen, dass die Bibel des Alten und Neuen Testaments die Offenbarung des Wortes Gottes ist und dass ihre Abfassung von Gott inspiriert ist. Die Interpretation dieses in menschlicher Sprache abgefassten Wortes Gottes erfolge "in Übereinstimmung mit literarischen, philosophischen und theologischen Kriterien, immer unter der einenden Kraft des Glaubens und unter Führung des Lehramtes". Gleichzeitig müsse einer Indifferenz, Unkenntnis und Verwirrung über die Wahrheit des Glaubens im Hinblick auf das Wort Gottes gegengesteuert werden. Allerdings dürfe dabei nicht die Verbindung von Heiliger Schrift und Morallehre übersehen werden, heißt es unter Hinweis auf die Zehn Gebote, das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe oder die Bergpredigt.

Der kroatische Synoden-Sekretär Erzbischof Nikola Eterovic unterstrich bei der Vorstellung des Arbeitspapiers die hohe Bedeutung der Bibel für die Ökumene, für den Kontakt zum Judentum und zu den anderen Religionen. "Die Heilige Schrift ist ein wichtiges Band der Einheit mit den anderen Christen", so Eterovic. Neben dem Sakrament der Taufe verbinde die Wertschätzung der Schrift alle diejenigen, die an den einen und dreifaltigen Gott glauben.

Weiter mahnte Eterovic eine stärkere biblische Gewichtung der Predigten in den katholischen Gottesdiensten ein. Entsprechend sollte die Aus- und Fortbildung der Priester verstärkt werden.

Laut Eterovic liege die Bibel bisher in 2.454 Sprachen ganz oder teilweise vor. Damit sei sie noch immer nicht in den 3.000 Hauptsprachen der Welt verfügbar, bedauerte der Synoden-Generalsekretär. Bei der im Oktober stattfindenden Versammlung müsse dieses Problem diskutiert werden. Schließlich gebe es weltweit rund 6.700 verschiedene Sprachen.
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