Zur Erklärung der römischen Glaubenskongregation über Mission und Evangelisation

Mit der am 14.12.2007 veröffentlichten „Lehrmäßigen Note über einige Aspekte der Evangelisierung" erschien innerhalb eines halben Jahres das vierte lehramtliche Schreiben aus Rom. Das ökumenische Interesse an jener „Nota dottrinale" ist verständlicherweise groß, da die darin angesprochenen Themen des Missionsauftrags, der Bekehrung und Evangelisierung, der Glaubens- und Religionsfreiheit wie der Verfolgungssituation für alle christlichen Kirchen und Konfessionsfamilien von größter Bedeutung und Aktualität sind.

Verwirrung in missionstheologischen Positionen?

Die Erklärung bemüht sich schon durch die vielen Zitate aus den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils und der lehramtlichen Äußerungen von Paul VI. bis Benedikt XVI. die Kontinuität der „gesamten katholischen Lehre über die Evangelisierung" in Erinnerung zu rufen. Ihr erklärtes Ziel (Nr. 3) ist es, „einige Aspekte in der Beziehung zwischen dem Missionsauftrag des Herrn und der Achtung des Gewissens und der Religionsfreiheit aller Menschen zu klären". Kritik geübt wird in erster Linie gegenüber „einer wachsenden Verwirrung" in missionstheologischen Positionen, die das Bemühen um Überzeugung in religiösen Fragen als Einschränkung der Religionsfreiheit missverstehen, sich damit begnügen, „Gemeinschaften zu bauen, die fähig sind, für Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und Solidarität zu arbeiten" und die fordern, dass man das Evangelium Nicht-Christen „nicht verkünden und deren Zugehörigkeit zur Kirche nicht fördern sollte, weil es möglich sei, auch ohne ausdrückliche Kenntnis Christi und ohne formale Eingliederung in die Kirche gerettet zu werden".

Gegen Indifferenz

Damit werden vor allem (wie bereits in der Erklärung „Dominus Iesus" aus dem Jahre 2000) jene innerkatholischen Strömungen in die Schranken gewiesen, die „durch relativistische Theorien gefährdet" einen religiösen Pluralismus theologisch rechtfertigen, der christlichen Wahrheit ihren „Exklusivcharakter" absprechen und christliche Freiheit mit „Indifferenz" (Gleichgültigkeit) verwechseln (Nr. 10). Gewürdigt werden hingegen der „Prozess der Inkulturation" des christlichen Glaubens als Bereicherung der „Gesamtkirche" in allen „Ausdrucksformen und Werten" (Nr. 6) und der „ehrliche Dialog" als Methode aller Evangelisierungsbemühungen, „der die Argumente und Empfingen des Anderen zu verstehen sucht" (Nr. 8).

Wichtiger Beitrag, aber auch grundlegende Kritik

Da auch in den anderen christlichen Kirchen seit geraumer Zeit ähnliche Fragen heftig diskutiert werden, ohne dass dort allerdings ein mit besonderen Vollmachten ausgestattetes Lehramt Grenzen ziehen könnte, kann aus ökumenischer Sicht diese römische Note als wichtiger Diskussionsbeitrag mit klaren missionstheologischen Konturen gewürdigt werden.

Aus evangelischer und ökumenischer Sicht müssen aber auch grundlegende kritische Rückfragen gestellt werden:

In Nr. 11 wird an die Verfolgungen und Martyrien erinnert, die Christen seit der apostolischen Zeit erlitten und somit die Mission mitgeprägt haben. Hier wird erinnert, dass die Glaubenszeugen „nicht Macht oder Gewinn such(t)en", aber verschwiegen werden die Grausamkeiten christlicher Mission in allen Erdteilen. Zumindest ein Hinweis auf das Schuldbekenntnis Papst Johannes Pauls II. vom März 2000 wäre nötig und hilfreich gewesen.

Nr. 12 erinnert an die Notwendigkeit von „Evangelisierung" und „Neuevangelisierung" „in Ländern, wo nicht katholische Christen leben, vor allem in Ländern mit alter christlicher Tradition und Kultur". Ohne die damit verbundenen Schwierigkeiten mit den Ostkirchen direkt anzusprechen, wird an die Aussagen des Ökumenismusdekrets des Zweiten Vatikanischen Konzils erinnert. Wenn aber der Eckpfeiler des Dialogs so beschrieben wird, dieser sei nicht nur ein Austausch von Gedanken, „sondern von Gaben […], damit ihnen die Fülle der Heilsmittel angeboten werden kann", ist die Sorge berechtigt, dass „Evangelisierung" letztlich doch Re-Katholisierung zum Ziel hat. Mit gutem Grund können wir genau an dieser Stelle auf die „Charta Oecumenica" vom April 2001verweisen, die ja auch von der römisch-katholischen Kirche unterschrieben worden ist. Hier wurden (in Nr. II.2) gerade wegen der Problematik unchristlicher Abwerbungsbemühungen (Proselytismus) Formulierungen gefunden, die von allen Konfessionsfamilien in Europa mitgetragen werden konnten. Welchen Stellenwert haben denn letztlich in Rom wichtige ökumenische Vereinbarungen?

Schließlich vermisst man bei den grundlegenden Fragen des christlichen Missionsverständnisses einen Hinweis auf die Besonderheit des Dialogs mit dem Judentum. Auch in dieser Hinsicht (Problem der sog. Judenmission) kann die evangelische Theologie Präzisierungen vornehmen, wie sie in den Dokumenten der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa / Leuenberger Kirchengemeinschaft" zu finden sind.

Dr. Walter Fleischmann-Bisten
Leiter des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim
Referent für Freikirchen und Innerprotestantische Ökumene
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