Vor 30 Jahren: Die Tragödie von Waco und die Adventisten

Highway-Wegweiser nach Waco (Texas, USA).

© gemeinfrei

Vor 30 Jahren: Die Tragödie von Waco und die Adventisten

APD
Silver Spring, Maryland/USA

Vor der Erstürmung war das „Mount Carmel“ genannte Anwesen der Davidianer 51 Tage lang von einem US-amerikanischen Sondereinsatzkommando umstellt worden, weil sich die Davidianer mit Waffengewalt einer Untersuchung des Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (ATF) widersetzt hatten. Die Behörde wollte Hinweisen auf Verstöße gegen das Waffengesetz und sexuelle Gewalt gegen Kinder unter den Sektenmitgliedern nachgehen. Als ein Sondereinsatzkommando am 28. Februar in das Anwesen der Davidianer eindringen wollte, wurde es beschossen. Dabei wurden vier Beamte getötet und 20 verletzt. Auch auf Seiten der Davidianer gab es Tote. Daraufhin begann die Belagerung des „Mount Carmel“, die am 19. April mit dessen Erstürmung in einem Blutbad endete.

Die Branch-Davidianer

Bei den Branch-Davidianern handelt es sich um eine extremistische Abspaltung von der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Sie wurde in den 1930er-Jahren von Victor Houteff gegründet, der mit der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten unzufrieden war. Nach seinem Tod übernahm Benjamin Roden die Führung und benannte sie in Branch Davidians (Davidianischer Zweig) um. Bis 1962 hatte sich diese Gruppe auf einem großen Gelände in Waco, im US-Bundesstaat Texas, niedergelassen.

Die Sekte suchte in der Bibel nach Hinweisen darauf, wie die Welt untergehen würde, und studierte insbesondere das Buch der Offenbarung. Im Jahr 1978 starb der zweite Anführer und seine Frau übernahm als „Prophetin“ die Leitung der Gruppe. Einige Jahre später traf Vernon Howell auf dem Gelände ein. Er begann eine Beziehung mit der Frau des ehemaligen Anführers, sodass er schließlich 1990 die Sekte vollständig kontrollierte. Howell änderte seinen Namen in David Koresh und behauptete, er sei ein „Messias“ und „das Lamm“ aus der Offenbarung, das die Siegel des Buches der Offenbarung öffnen könne. Zu seinen Praktiken gehörte es, sich viele „geistliche Ehefrauen“ aus den Reihen seiner Anhänger zu nehmen, um mit ihnen Kinder zu zeugen.

 Als US-amerikanische Behörden die Vorwürfe der Verletzung von Waffengesetzen und der sexuellen Gewalt an Kindern aufklären wollten, kam es zur Belagerung des Anwesens mit der anschließenden Erstürmung.

Lehren aus den Ereignissen von Waco

Ganoune Diop zieht in seinem Beitrag u.a. folgende Schlüsse aus den Ereignissen von Waco, um künftige Tragödien dieser Art zu vermeiden. Zunächst bezeichnet er es als oberstes Prinzip des adventistischen Glaubens, dass Jesus Christus bereits alles getan hat, um die Menschen zu erlösen und dem niemand etwas hinzufügen könne.

Zugleich solle niemand sein Gewissen der Kontrolle eines anderen Menschen unterwerfen. Auch habe kein Mensch das Recht, sich eine Rolle als auserwählter Mittler zwischen Gott und Mensch anzumaßen, denn „Jesus (Gott) ist der einzige König (Sohn Davids), der einzige Priester (Sohn Abrahams), und das einzige Opfer. Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (Johannesevangelium 14,6).“ Ebenso sei kein Mensch dazu in der Lage, eine geistliche Erneuerung zu bewirken, das sei eine Angelegenheit des Heiligen Geistes. Leiter apokalyptischer Endzeitsekten „benutzen und missbrauchen Autoritätsbegriffe. Sie stellen Behauptungen auf und dominieren, anstatt zu dienen – ganz im Gegensatz zu dem, was Jesus seinen Nachfolgern auftrug“, so Diop. Auch habe niemand exklusive Einsichten in die Auslegung von biblischen Texten. Die Bibel sei allen gegeben, um sie zu studieren und Erkenntnisse daraus zu gewinnen.

Gewalt statt Liebe

Diop fährt fort: „Hüte dich vor denen, die behaupten, die einzigen Treuen und Auserwählten zu sein, mit der Aufgabe betraut, die Bösen – diejenigen, die nicht so denken wie sie – zu bestrafen.“ Liebe komme in den Narrativen und in der Literatur dieser extremen Endzeitsekten nicht vor. Ihre Sprache sei im Wesentlichen von Angst geprägt, oft von Gewalt und der Ankündigung der Vernichtung der Gottlosen. Es würden nur diejenigen gerettet, die zu ihrer Gruppe gehörten. Im Gegensatz dazu sei in der Bibel Jesus der einzige Erlöser. Auch wie wir die Bibel lesen und welche Methode wir für ihre Auslegung anwenden, sei entscheidend. So rechtfertigte zum Beispiel Vernon Howell (alias David Koresh) mit einer falschen Auslegung von Psalm 45, dass er mit den Ehefrauen seiner Anhänger 24 Kinder zeugen müsse, die in einem neuen Königreich Fürsten sein würden. Darüber hinaus führten sein Glaube und seine falsche Auslegung der sieben Siegel der Offenbarung und des siebten Engels zu dem katastrophalen Ausgang auf dem Gelände in Waco, erläutert Diop und fährt fort: „Es ist wichtig, die eigene Gewissensfreiheit zu bewahren. Niemand sollte dazu gezwungen oder durch Einschüchterung genötigt werden, einen Glauben anzunehmen.“

Adventisten nicht verantwortlich für extreme Splittergruppen

Diop verwahrt sich gegen eine Mitverantwortung der Adventisten an der Entstehung von Gruppierungen wie die der Davidianer: „Die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten kann nicht für Abspaltungen verantwortlich gemacht werden, die zwar den Namen Siebenten-Tags-Adventisten führen, aber in den Extremismus abdriften. Keine Kirche ist monolithisch. Ein Mosaik, das sich weltweit aus Menschen unterschiedlicher Ethnien und Kulturen zusammensetzt, kann vor hermeneutischen Irrtümern aller Art und dem Abdriften in Wahnvorstellungen nicht immun sein. Die adventistische Kirche ist durch klar formulierte offizielle Erklärungen geschützt, die von der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung), dem Exekutivausschuss der Generalkonferenz und dem Verwaltungsausschuss verabschiedet wurden … Sie verhindern, dass einzelne Personen oder Gruppen das Recht an sich reißen, das Denken zu kontrollieren oder Ziele durchzusetzen, die nicht zum Auftrag der Kirche gehören.“

Unvereinbar mit der „Frucht des Geistes“

Abschließend mahnt Diop: „Diejenigen, die versucht sind, Leitern zu folgen, die behaupten, Gott zu vertreten, möchte ich daran erinnern, dass einer der deutlichsten Beweise dafür, dass jemand von Gott geführt wird, in der Frucht des Heiligen Geistes zu finden ist: ‚Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung‘ (Galaterbrief 5,22).“ Die Frucht des Heiligen Geistes sei unvereinbar mit Gewalt und/oder der Beherrschung des Denkens von Menschen.

Die Originalfassung des Beitrags von Ganoune Diop ist unter https://www.adventistliberty.org/tragic-end-of-an-apocalyptic-sect-at-waco,-texas#_ftn2 zu lesen.