Der syrisch-katholische Erzbischof von Hassaké-Nisibi, Jacques Behnan Hindo hat im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur „Fides" von zunehmender Gewalt und Einschüchterungsversuchen gegenüber der christlichen Bevölkerung berichtet. Brandanschläge und ähnliche Vorkommnisse sind nach seiner Ansicht Bestandteil einer gezielten Strategie zur Vertreibung der Christen. Der seit 1996 amtierende Erzbischof gilt als nüchterner Beobachter aller am syrischen Konflikt beteiligten Gruppierungen.
„Jedes Mal, wenn die kurdischen Milizen aktiv werden, um die eigene Vorherrschaft über die Stadt zu sichern, ist das Zentrum ihrer Aktionen jenes Stadtviertel, in dem sich sechs christliche Kirchen befinden und wo die meisten Christen leben", bedauert Erzbischof Hindo. In vielen Fällen seien Christen bedroht und aus ihren Wohnungen vertrieben worden, die anschließend geplündert wurden. Auch er selbst sei Opfer eines solchen Einschüchterungsversuchs geworden, berichtet der Erzbischof: Als Milizionäre auf die Fenster seiner Wohnung schossen, hätten die Schüsse nur knapp seinen Kopf verfehlt. Zum Zeitpunkt des Vorfalls sei das Viertel von kurdischen Milizen kontrolliert worden, es habe keine anderen Bewaffneten in der Gegend gegeben.
Auch eine humanitäre Hilfslieferung seiner Eparchie für muslimische Einwohner von ehemals von den IS-Terroristen belagerten Dörfern in der Umgebung von Hassaké sei unter Beschuss genommen worden. „Es ist sicher", so der Erzbischof zu diesem Vorfall, „dass die Schüsse nicht von Dschihadisten abgefeuert wurden, deren Basislager mehr als 20 Kilometer entfernt sind". Außerdem mache es ihn besorgt, dass unter kurdischem Kommando jetzt auch Milizionäre zu finden seien, die früher mit den IS-Terroristen gemeinsam unterwegs waren.
Um Ausgleich zwischen Kurden und syrischen Regierungstruppen ist nach einem Bericht der katholischen Nachrichtenagentur „AsiaNews" die armenische Gemeinschaft von Hassaké bemüht. Seitens der Armenier werde jeder Gedanke an Emigration zurückgewiesen. Die armenische Gemeinschaft in Hassaké hat tiefe historische Wurzeln; nach dem Völkermord im Osmanischen Reich (1915 bis 1923) wurde die Gemeinschaft durch Flüchtlinge aus den türkisch verbliebenen Städten, vor allem aus Mardin, verstärkt. In der jetzigen Situation, der de-facto-Teilung der Stadt, haben die Armenier die Erlaubnis, von einer „Zone" in die andere zu wechseln; daher übernehmen sie immer wieder eine Vermittlerrolle.
Laut „AsiaNews" ist die humanitäre Situation in Hassaké schwierig. Wie in anderen syrischen Städten ist die Stromversorgung immer wieder unterbrochen, die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist unzureichend, das Gesundheitssystem ist praktisch zusammengebrochen. Wer ärztliche Hilfe braucht, muss sich nach Kamischli (al-Qamishli) wenden, die unmittelbar an der türkischen Grenze gelegene Stadt.
In dem Bericht von „AsiaNews" sind aber auch erstmals Hinweise enthalten, dass es in er-Raqqa, der inoffiziellen Hauptstadt der IS-Terroristen, nach wie vor armenische Christen gibt, die dort als „Dhimmi" („Schutzbefohlene" nach Scharia-Recht) leben müssen. Die armenische Kirche sei geschlossen, die Kreuze und Glocken abmontiert, zu seltenen Anlässen gebe es die Erlaubnis, dort „leise" einen Gottesdienst zu feiern. Dafür müsse extra eine Sondersteuer in Höhe von siebeneinhalb Gramm Gold gezahlt werden.
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