Adventisten und Reformation

Mit einer Exkursion zur Lutherstadt Wittenberg ist das zweite internationale Symposium des Institute of Adventist Studies (Institut für adventistische Geschichte und Theologie) der Theologischen Hochschule der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg zu Ende gegangen. Es befasste sich vom 9. bis 12. Mai mit der „Wahrnehmung der protestantischen Reformation in der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten“.

Während die erste Hälfte des Symposiums die großen Reformatoren im Fokus hatte, widmete sich die zweite zunächst der Tradition der Wiedertäufer, dem sogenannten „linken Flügel“ der Reformation. Am letzten Studientag wurde der Einfluss der Reformation auf die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten anhand von zwei kontroversen Perioden in der adventistischen Geschichte beleuchtet.

Das Erbe der Reformation und der Wiedertäufer
Die Ausarbeitung von Timothy Arena, Doktorand an der Andrews Universität in Berrien Springs, Michigan/USA, beschäftigte sich mit der Erlösungslehre von Philip Melanchthon (1497-1560). Arena sieht eine ideengeschichtliche Linie von Melanchthon über Jacobus Arminius (1560-1609) und John Wesley (1703-1791) zur Mitbegründerin der Freikirche der Siebenten-Tags Adventisten, Ellen G. White (1827-1915).

Adventisten seien direkt oder indirekt von christlichen und speziell von protestantischen Traditionen ihrer Zeit beeinflusst worden. Das treffe auch auf die adventistische Vorstellung von „Kirche“ zu, vertrat der langjährige niederländische adventistische Kirchenleiter Dr. Reinder Bruinsma. Allerdings sei dieser Einfluss eher unterbewusst und weniger ein Resultat von sorgfältigem Studium gewesen.

Dr. Michael Campbell, Dozent am Adventist International Institute of Advanced Studies in Silang, Cavite/Philippinen, verglich die Theologie des Abendmahls bei Martin Luther und bei den frühen Adventisten. Adventisten schienen sich mehr an die Vorstellungen des Züricher Reformators Zwingli anzulehnen als an Luther. Sie hätten sich in dieser Hinsicht aber nicht eindeutig im großen Strom des Protestantismus positioniert.

Die Wiedertäufer, beziehungsweise die „radikalen Reformatoren“ waren Gegenstand von gleich drei Referaten. Dr. Martin Rothkegel, Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Hochschule Elstal bei Berlin, beleuchtete verschiedene Gruppen von Wiedertäufern in Europa. Dr. Trevor O´Reggio, Professor für Kirchengeschichte an der Andrews Universität, USA, verglich wichtige theologische Lehrpunkte von Wiedertäufern mit denen der Adventisten und stellte fest, dass es deutliche Ähnlichkeiten gebe. Dr. Charles Scriven, Vorsitzender von „Adventist Forum“ (Roseville, Kalifornien/USA), stellte das Werk des täuferischen Theologen James William McClendon (1924-2000) und seine mögliche Bedeutung für adventistisches Denken vor.

Kontroversen in der Adventgeschichte
Dr. Johannes Hartlapp, Dozent für Kirchengeschichte an der Friedensauer Hochschule, legte in seinem Referat die Deutung der Reformation aus der Sicht von Ludwig Richard Conradi (1856-1939) dar. Conradi war einer der bedeutendsten Leiter der Siebenten-Tags-Adventisten in Europa im frühen 20. Jahrhundert. Er suchte begeistert nach Parallelen in Luthers Verständnis der Endzeit und des Antichristen. Allerdings habe Conradi das theologische Grundverständnis Luthers, die Rechtfertigungslehre, nicht rezipiert, was zu einem verfehlten Bild der Reformation geführt habe.

Die „bahnbrechende Generalkonferenz von 1888“ war das Thema des emeritierten Professors der Andrews Universität, Dr. Woodrow Whidden. Diese Vollversammlung adventistischer Kirchenleiter im Jahr 1888 in Minneapolis/USA, stellte einen Wendepunkt in der Geschichte der Freikirche dar. Durch den Einfluss von Ellen White konnte die adventistische Kirche zu einem klareren Verständnis der reformatorischen Grundsätze Sola Gratia (allein aus Gnade) und Sola Fide (allein aus Glauben) geführt werden, so Whidden.

Dr. Gilbert Valentine, Professor an der adventistischen La Sierra Universität in Riverside, Kalifornien/USA, stellte in seinem Referat den kircheninternen Konflikt über die Bedeutung von „Rechtfertigung aus Glauben“ dar, wie er sich in den 1960er und 70er Jahren besonders in Australien und den USA zeigte. Aufgrund unterschiedlicher Rezeption der Reformationstheologen sei eine Polarisation entstanden, die zu heftigen Auseinandersetzungen über Hauptlehren und Auftrag der Freikirche führte und bis heute nachwirkt.

Dr. Rolf Pöhler, Professor für systematische Theologie in Friedensau, beendete die Referate mit dem Thema: Sind Siebenten-Tags-Adventisten „Erben der Reformation“?. Zum Abschluss des Symposiums gab es für die Teilnehmer eine Exkursion nach Wittenberg. Das erste internationale Symposium des Instituts für adventistische Studien hatte im Mai 2014 als Thematik „Die Auswirkungen des 1. Weltkriegs auf die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten“.

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