Ruandischer Ex-Pastor wegen Genozid zu lebenslanger Haft verurteilt

Mehrere Geistliche am Völkermord von 1994 beteiligt

Porvoo/Finnland, 14.06.2010/APD Das finnische Gericht der Landschaft Ostuusimaain Porvoo hat am 11. Juni François (Francis) Bazaramba (59) wegen seiner Verwicklung in den Völkermord von 1994 in Ruanda zu lebenslanger Haft verurteilt. Der zur Volksgruppe der Hutu gehörende ehemalige Baptistenprediger kam 2003 als Flüchtling nach Finnland.

Bazaramba wurde 2007 festgenommen und das Verfahren gegen ihn im September 2009 eröffnet. Das Gericht hörte 68 Zeugen an, unter anderem bei Verhandlungen in Ruanda und Tansania. Der Verurteilte will nach Angaben seines Anwalts Ville Hoikkala Berufung gegen das Urteil einlegen. In seiner Heimat habe er im Jahr 1994 bewusst daran mitgewirkt, "die Tutsis in Ruanda als Bevölkerungsgruppe völlig oder teilweise zu vernichten“, heißt es in der Urteilsbegründung. Der Angeklagte bestritt vor Gericht jedoch alle Beschuldigungen. Von direkten Mordvorwürfen wurde er freigesprochen.

Beim Genozid in Ruanda wurden 1994 innerhalb von drei Monaten rund 800.000 Menschen getötet. Die meisten Opfer gehörten der Volksgruppe der Tutsi an, die Täter waren meist radikalisierte Hutus.

Finnland hat internationale Verträge unterzeichnet, nach denen es Fälle von Völkermord vor Gericht bringt, wenn ein Verdächtiger in Finnland lebt oder dort festgenommen wurde. Es war der erste derartige Prozess in dem skandinavischen Land.

Im Februar 2003 wurden der frühere Präsident der Siebenten-Tags-Adventisten im Süden Ruandas und ehemalige Pastor, Elizaphan Ntakirutimana (80), sowie dessen Sohn Gérard (46), der als leitender Arzt am adventistischen Krankenhaus in Mugonero tätig war, wegen Beihilfe und Begünstigung zum Völkermord zu zehn Jahren Haft und der Mediziner wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt. Elizaphan Ntakirutimana kam im Dezember 2006 nach zehnjähriger Gefängnisstrafe aus der Haft frei und starb im Januar 2007 im tansanischen Arusha.

Bereits im September 1998 erhielt ein römisch-katholischer Priester in Arusha/Tansania vier Jahre Haft wegen Völkermordes. Ihre Prozesse erwarten der frühere Rektor des katholischen Christ-Roi College, Hormisdas Nsengimana, und der ehemalige katholische Militärpfarrer Emmanuel Rukundo. Der frühere anglikanische Bischof der Diözese Shyogwe in der zentralruandischen Provinz Gitarama, Samuel Musyabimana, starb am 24. Januar 2003 im Gewahrsam des Internationalen Gerichtshofs der Vereinten Nationen zur Aufarbeitung des Völkermordes in Ruanda (ICTR), bevor sein Verfahren beginnen konnte.

Im Dezember 2006 verurteilte der Internationale Strafgerichtshof in Arusha den römisch-katholischen Priester Athanase Seromba wegen Verschwörung und möglicher Mittäterschaft zum Völkermord sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Ausrottung) zu fünfzehn Jahren Gefängnis. Pater Seromba floh 1997 unter falschem Namen nach Italien, wo er zwei Jahre lang als Priester tätig war. Er stellte sich nach seiner Enttarnung im Februar 2002 dem Strafgerichtshof für Ruanda. Die Berufungskammer des ICTR wandelte am 12. März 2008 die Strafe in lebenslange Haft um, da Beweise für eine aktive Teilnahme am Genozid vorlagen. Im Juni 2009 wurde Seromba vom ICTR dem Staat Benin übergeben, wo er im Gefängnis von Cotonou seine Strafe absitzen muss.

In Belgien wurden im Jahr 2001 die beiden ruandischen Benediktinerinnen Julienne Mukabutera und Consolata Mukangango zu zwölf beziehungsweise 15 Jahren Gefängnis wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.

Den katholischen Priester Wenceslas Munyeshyaka verurteilte im November 2006 der Ruandische Militärgerichtshof wegen des Genozids an der Saint-Famille Kirche in Kigali in Abwesenheit zu lebenslanger Haft. Er wurde per internationalem Haftbefehl gesucht und 2007 in Frankreich festgenommen. Im November 2007 übergab das ICTR den Fall Munyeshyaka den französischen Justizbehörden zur Weiterbehandlung. Bis heute kam der Prozess nicht voran, was den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte veranlasste, der französischen Justiz Verschleppungstaktik vorzuwerfen. Der Priester ist heute in einer Pfarrei in Gisors im Nordwesten von Paris tätig.

Bereits 1998 wurden die katholischen Priester Jean Francois Kayiranga und Edouard Nkurikiye von einem Kriegsverbrechertribunal in Kibuye/Ruanda wegen Beteiligung am Völkermord zum Tode verurteilt.

Der Genozid in Ruanda entstand aus dem Jahrzehnte schwelenden Konflikt zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi. Als Auslöser für den Völkermord an der Tutsi-Minderheit gilt das Attentat auf den Hutu-Präsidenten Juvenal Habyarimana, dessen Flugzeug am 6. April 1994 beim Landeanflug auf Kigali von einer Rakete abgeschossen wurde. Radikale Hutu-Milizen lasteten den Mord der Tutsi-Minderheit an und riefen zur Vergeltung auf. Sie töteten innerhalb von drei Monaten mindestens 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu. Viele Opfer wurden mit Macheten in Stücke gehauen, andere bei lebendigem Leib in Kirchen verbrannt, in denen sie Zuflucht gesucht hatten. Ziel der Gräueltaten sei die Ausrottung der Tutsi gewesen, die etwa elf Prozent der ruandischen Bevölkerung ausmachten.

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