Berlin, 15.10.2008/APD Die drastisch gestiegenen Preise für Nahrungsmittel haben im vergangenen Jahr die Zahl der Hungernden weltweit um 73 auf 923 Millionen ansteigen lassen. Anlässlich des Welthungertages am 16. Oktober fordern die evangelische Hilfsaktion "Brot für die Welt" und die Entwicklungsorganisation "Germanwatch" gezielte Maßnahmen zur Hungerbekämpfung. Es müssten wesentlich mehr Mittel zur Förderung des ländlichen Raumes in Entwicklungsländern bereit gestellt werden. Ihre Forderung untermauern beide Organisationen mit der gemeinsamen Studie "Wird Essen zum Luxus?".
Tobias Reichert von "Germanwatch" und Mitautor der Studie betonte: "Die Untersuchungen in Mali und Burkina Faso machen deutlich, dass Kleinbauern den Willen und das Potenzial haben, auf die steigenden Lebensmittelpreise zu reagieren." Vor diesem Hintergrund begrüßte Reichert, dass die Bundesregierung 600 Millionen Euro zusätzlich zur Förderung der Landwirtschaft in Entwicklungsländern zur Verfügung stellt. Seiner Auffassung nach ist aber noch mehr Hilfe notwendig. Sie könne aber nur eine Ergänzung zu den Anstrengungen der Entwicklungsländer sein. Diese müssten auch aus ihren eigenen Staatshaushalten mehr Mittel für die bäuerliche Bevölkerung bereit stellen.
Caroline Callenius von "Brot für die Welt" forderte aufgrund der Studie einen Perspektivwechsel. Etwa 80 Prozent der Hungernden lebten auf dem Land, aber nur vier Prozent der Entwicklungshilfegelder würden für Projekte zugunsten der Landbevölkerung verwendet. In der Vergangenheit hätten die armen Staaten die Ernteüberschüsse der Industrieländer billig importieren können, sodass sich die einheimische Landwirtschaft nicht mehr gelohnt habe und von den Regierungen vernachlässigt worden sei. Doch seit zwei Jahren hätten sich die Nahrungsmittelpreise derart verteuert, dass in diesen Ländern "Essen für viele Menschen ein Luxus ist". Die viele Kleinbauern profitierten aber meist nicht von den gestiegenen Nahrungsmittelpreisen. Ihre Ernten reichten kaum für die Ernährung der eigenen Familie aus. Deshalb benötigten sie eine nachhaltige Landwirtschaft. Das lasse sich aber nur durch eine gezielte Unterstützung für arme Kleinbauern umsetzten.
"Die Nahrungsmittelkrise hat katastrophale Folgen für den Frieden, die Sicherheit und die Menschenrechte in unserem Land", berichtete Michael Yanogo, Direktor des Albert-Schweitzer-Zentrums in Burkina Faso. "Die Hungeraufstände in unseren großen Städten haben zu einer Zerstörung von öffentlichen und privaten Gütern, zu Festnahmen zahlreicher Personen und zur Zerstörung des sozialen Klimas geführt." Die Stadtbevölkerung gebe inzwischen 55 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. Für viele Menschen seien Lebensmittel schlicht unbezahlbar geworden. Die Folge: vor allem die Lage der Kinder habe sich drastisch verschlechtert. Von ihnen seien jetzt mehr als die Hälfte unterernährt.
"Inzwischen wissen auch unsere einheimischen Politiker, wie wichtig eine eigene funktionierende Landwirtschaft ist", erläuterte Yanogo. Es gelte die Grundnahrungsmittel selbst zu produzieren, anstatt sie teuer zu importieren. Dazu müsse die Infrastruktur verbessert werden, damit die Lebensmittel auch an den Ort kommen, wo sie gebraucht werden. Die Bauern benötigten jedoch Beratung, um beispielsweise wieder auf die traditionelle Düngung, anstatt auf kostspieligen Kunstdünger Wert zu legen. Der Staat müsse deshalb die Landwirtschaft stärker unterstützen. Dazu gehörten unter anderem ertragreicheres Saatgut und Pflanzen, die auch nach der Regenzeit angebaut werden könnten. Das seien laut Yanogo einige der Lehren, die seine Landsleute aus der Nahrungsmittelkrise ziehen würden.
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