"Prophetische Kirche für Zukunft und Gegenwart" - Kommentar zum 97. Deutschen Katholikentag vom 21. bis 25. Mai 2008 in Osnabrück

APD

Zum 97. Mal fand Deutschlands größtes katholisches Laientreffen statt. 60.000, in der Mehrzahl jugendliche Teilnehmer, waren aus dem In- und Ausland angereist und stellten sich in einer knappen Woche rund 1.200 Vorträgen, Bibelarbeiten, Podiumsdiskussionen, Gottesdiensten und hochkarätigen künstlerischen Veranstaltungen im malerischen Osnabrück. Es hätte ein durch und durch harmonischer Katholikentag bei strahlendem Frühlingswetter werden können, wäre nicht dieses Bischofswort von den "fehlenden Fortschritten in der Ökumene, die einem Stachel in dem Fleisch der Christenheit glichen" gewesen. Die Klage kam aus dem Munde des Oberhirten der gastgebenden Diözese, Franz-Josef Bode, der während eines großen Abendmahlgottesdienstes im Schlossgarten die anwesenden Katholiken und Protestanten beschwor, "nicht zu vergessen, wie sehr wir durch die Taufe und den Glauben an den dreieinigen Gott geeint sind".

Überhaupt war „Ökumene", ob bewusst gelebt, gesteuert, gebremst oder "ziel-los", das beherrschende Thema dieser Tage, was die zahlreichen evangelischen Gäste ebenso mit Genugtuung und Dankbarkeit empfanden. Optimistisch gaben sich dennoch die niedersächsische Landesbischöfin Margot Käßmann, ihr bayerischer Amtsbruder Johannes Friedrich und der Braunschweiger Landesbischof und "Catholica"-Beauftragte Friedrich Weber, der von einer „stärkeren Dynamik im Ökumeneprozess, als was von außen sichtbar erscheint" überzeugt ist. Auch der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, ließ, wie vor zwei Jahren beim Katholikentag in Saarbrücken, nichts unversucht, die These von der Eiszeit in der Ökumene zu entkräften.

Selbst der wenig beliebte, überaus konservative Vorsitzende der Ökumenekommission in der Deutschen Bischofskonferenz, der Regensburger Diözesanbischof Gerhard Ludwig Müller, widersprach, wenn auch fast widerwillig, dem vor allem bei Lutheranern verbreiteten „Eiszeitgedanken". Als Grund für die nur allmählichen Fortschritte im kirchlichen Miteinander führte er einmal mehr römisch-katholisches Amtsverständnis ins Feld, wobei der große Traum vom gemeinsamen Mal am Tisch des Herrn von kaum einer Seite erwähnt und für den Ökumenischen Kirchentag 2010 in München von den anwesenden lutherischen Führungspersönlichkeiten ausgespart wurde.

Der katholische Ökumenebischof wirkte bei seinen Ausführungen unpersönlich und fast unbeteiligt. Zum anderen hatten wahrscheinlich noch manche seiner Zuhörer die erst kürzlich im Fernsehen von ihm zitierten, für alle Protestanten demütigenden Worte im Ohr, nach dem sie nach katholischem Kirchenverständnis kein Recht hätten, sich Kirche zu nennen. Das ist wohl nichts Neues, wird jedoch immer wieder zu empfindlichen Rückschlägen im katholisch-evangelischen Verhältnis führen.

Erfrischend dagegen kamen die freimütigen Ansichten der Passauer katholischen Theologin und Professorin Martha Zechmeister an, nach der sich die deutschsprachige Theologie "weithin in dogmatischem Schlummer" befinde und bei den Menschen nicht mehr ankomme. Zechmeisters Hauptargument: "Wir machen das Evangelium in der konkreten Lebenswirklichkeit der Menschen nicht mehr spürbar." Die Kritik der niederbayerischen Katholikin schien an die eigene Kirche gerichtet. Trotzdem empfanden Tausende junger und alter Menschen den Katholikentag als ein beglückendes Gemeinschaftserlebnis.

Bemerkenswert war das persönliche "Credo" von Bischof Bode zum diesjährigen Veranstaltungsmotto "Du führst uns hinaus ins Weite". Er erhofft sich eine prophetische Kirche, deren tröstliche Botschaft nicht nur eine Vision für die Zukunft, sondern auch für die Gegenwart ist. Zudem müsse die Verkündigung der Hoffnung durch die Kirche biblisch sein. Der Osnabrücker Bischof hat in diesen Tagen noch andere bibelbezogene Gedanken entwickelt, die auch für die evangelischen Teilnehmer am Katholikentag nachdenkenswert sind.

Wolfgang Tulaszewski
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